Doppelkupplungsgetriebe
Der nicht aufzuhaltende Aufstieg des Doppelkupplungsgetriebes führte aktuell zu 14 nassen und fünf trockenenVarianten. Dieser Beitrag soll Werkstattprofis mit Angaben zu Aufbau, Funktion, Applikationen, Ölwechselintervallen und Rückrufen sowie einem Ausblick helfen, nicht den Überblick zu verlieren.
Noch vor 15 Jahren hätte vermutlich jeder halbwegs seriöse Branchenkenner dem Doppelkupplungsgetriebe keine große Zukunft vorausgesagt, weil zu aufwändig und zu teuer. Heute ist es bis in die Kompaktklasse etabliert, seine Stückzahlen lassen jeden Hersteller von automatisierten Schaltgetrieben vor Neid erblassen. Dabei wäre das ASG, möglichst noch mit elektromechanischer statt elektrohydraulischer Betätigung, für Kompakte und auch für die Mittelklasse die bessere Wahl, zumindest in finanzieller Hinsicht.
Erfunden um 1940 und offenbar gleich wieder vergessen, beschäftigte man sich bei Porsche ab dem Ende der 1960er Jahre mit der Doppelkupplung, um sie in den 1980er Jahren im Rennsport einzusetzen. Die erste Anwendung bei einem Serien-Pkw folgte im Jahr 2003 bei Volkswagen. In beiden Fällen gilt Ferdinand Piëch als treibende Kraft. Seither ist der Erfolg des Getriebes ungebrochen. Derzeit existieren sage und schreibe 19 unterschiedliche DKG-Varianten, davon 14 mit nasser und nur fünf mit trockener Doppelkupplung (vgl. Tabelle auf Seite 17 oben).
Bei einem Doppelkupplungsgetriebe handelt es sich bei genauer Betrachtung um jeweils zwei geschickt miteinander verbundene Getriebe und Kupplungen. Einem Teilgetriebe sind sämtliche geraden, dem anderen Teilgetriebe sämtliche ungeraden Gänge des Gesamtsystems zugeordnet. Die Zuordnung des Rückwärtsgangs ist flexibel, bei Getrieben mit ungerader Gangzahl (= 7) ist er im Teilgetriebe mit den geraden Gängen zu finden.
Unterschiede: Kupplung, Betätigung
Beide Teilgetriebe besitzen einen gemeinsamen Ausgang. Beim Schalten wechselt die Drehmomentweitergabe von einem zum anderen Teilgetriebe, wobei der je- weils nächste Gang bereits vorgewählt ist. Eine Kupplung öffnet, die andere schließt, damit kann der Gangwechsel ohne Zug-kraftunterbrechung erfolgen – vermutlich das Erfolgsgeheimnis des DKG.
Bei der Kupplung wird zwischen nass und trocken laufenden Scheiben und bei der Betätigung zwischen elektromechanisch und elektrohydraulisch unterschieden; in jedem Fall ist die Betätigung au- tomatisiert. Die Synchronisierung einer manuellen Betätigung der beiden Kupplungen wäre auch zu aufwändig.
Die Drehmoment-bedingte Grenze zwi-schen Doppelkupplungsgetrieben mit trockener und nasser Kupplung liegt derzeit bei 350 Newtonmeter, definiert vom trockenen TCT-(C635-)Getriebe von Fiat, soeben vorgestellt im Alfa Romeo Giulietta (vgl. Tabelle auf Seite 17 oben und Beitrag auf Seite 20).
Wichtig zu wissen ist zudem, dass ein etwaiger Verbrauchsvorteil eines DKG gegenüber einem vergleichbaren Handschaltgetriebe nicht an der Hardware, sondern an der Software liegt. Die Bau-teile und Funktionsprinzipien der beiden Getriebearten unterscheiden sich nicht, jedoch sorgt die Steuerung des DKG stets für optimale Schaltzeitpunkte, was sich im Verbrauch niederschlägt. Mit einem ASG würde das aber ebenso funktionieren.
Wie es mit dem Doppelkupplungsgetriebe weiter geht, darüber hat sich Philip Meidt von DKG-Hersteller Borg Warner Transmission Systems Gedanken gemacht. Zunächst zur Frage Trocken- oder Nass-kupplung: „Im mittleren Drehmoment-bereich von 200 bis 280 Nm bieten trockene Systeme eine bessere Wirtschaftlichkeit, ohne dass der Performancenachteil zu sehr ins Gewicht fällt. Dem gegenüber ist eine nass laufende Doppelkupplung aufgrund von besserem Mikroschlupf- und NVH-Verhalten universeller einsetzbar und mittels Softwaresteuerung einfach individueller auf das jeweilige Fahrzeug ab- stimmbar. So können verschiedene Her-steller das gleiche Getriebe verwenden, die Schaltcharakteristik jedoch nach den eigenen Vorstellungen gestalten. Nass laufende Systeme der ersten Generation haben insbesondere bei niedrigen Antriebsmomenten einen Verbrauchsnachteil durch Schleppverluste, der mit zunehmendem Antriebsmoment weniger ins Gewicht fällt. Seit der zweiten Generation der Doppelkupplungsgetriebe arbeiten wir daran, diese Verbrauchsnachteile zu kom-pensieren, zum Beispiel mittels optimier-ten Reiblamellen und Materialien, leckagearmen und präzise arbeitenden Ventilen, einer bedarfsgerecht gesteuerten Ölzufuhr und der Kombination mit Start-Stopp-Systemen. Mit der nächsten Generation werden diese Nachteile nahezu behoben sein. Angetrieben von diesen Verbesserungen planen einige Hersteller, nass laufende Doppelkupplungsgetriebe auch für Kleinwagen im niedrigen Drehmomentbereich unter 200 Nm zu entwickeln, da diese Fahrzeuge häufig in der Stadt gefahren werden und bei viel Stop-and-go-Verkehr ihre Komfort- und Robustheitsvorteile ausspielen können. Unter bestimmten Bedingungen, beispielsweise im niedrigen Drehzahlbereich, muss die Kupplung bei viel Schlupf viel Kraft übertragen. Hier sehen nicht nur wir einen Vorteil in nassen Systemen.“
Auch künftig meist nasse Systeme
Zum globalen Markt vertritt Philip Meidt diese Meinung: „Bisher sind die meisten Doppelkupplungsgetriebe mit nass laufen-den Kupplungen bestückt. Dies wird auch in Zukunft der Fall sein. Allerdings setzt insbesondere VW im mittleren Drehmomentbereich bis 280 Nm auf trockene Systeme, die aufgrund ihrer breiten Mo- dellvarianten eine beachtliche Produktionszahl darstellen. Der gesamte Doppelkupplungsmarkt wird nach unserer Ein-schätzung von 3,9 Mio. (2012) auf 8,7 Mio. Einheiten (2017) anwachsen. Die Produktion neuer Doppelkupplungsgetriebe wird in den nächsten Jahren vor allem in China stark steigen, wo sich die meisten lokalen und ausländischen Produzenten für ein nass laufendes DKG entschieden haben.“ Das DKG scheint sich zum neuen AT- Getriebe-Standard zu entwickeln. P. Diehl
Hotline-Auskunft
Problemlose Funktion
„Die Problemanfragen bezüglich Doppelkupplungsgetriebe/DSG halten sich in Grenzen. Die bisher bei uns aufgetretenen Fälle beziehen sich ausschließlich auf wartungsbezogene Nachfragen wie Ölwechsel, Filterwechsel, Füllmengen, etc. In- formationen bezüglich Fehler oder Ausfälle liegen uns keine vor.“
Michael Grund, Audacon AG
Leserservice
Rückrufe: BMW und Volkswagen
Der asp-Redaktion bekannt gewordene, DKG-bedingte Rückrufe beziehen sich ausschließlich auf Probleme im Bereich Elektronik/Software (sämtliche Details unter www.autoservicepraxis.de/rueckrufe).
von September 2008 bis August 2009 gebaute Audi A3 und TT, Seat Leon und Altea, Skoda Octavia und Superb sowie VW Golf, Jetta, Scirocco, Eos, Touran, Caddy und Passat wiesen einen Softwarefehler im DKG-Steuergerät auf, der die Kupplungstemperatur falsch interpretierte und den Notlauf aktivierte
Schaltbeanstandungen gab es bei VW Golf, Golf Plus und Touran mit 7-Gang-DKG, gebaut vom 21. bis 28. Februar 2011, aufgrund der Beschädigung der Steuergerät-Grundplatte bei der Verschraubung des Steuergeräts
bei von März bis September 2008 produzierten BMW M3 starb der nicht betriebswarme Motor ab, sofern stark verzögert und mehrstufig zurückgeschaltet oder langsam gefahren und plötzlich gebremst wurde; Grund war ein Softwarefehler im Motor- und Getriebesteuergerät
Marktentwicklung für automatische Getriebe*
Aktuelle DKG-Applikation
Bezeichnung
Kupplung
Gänge
max. Drehm.
Anwendung
436
nass
7
600 Nm
BMW
481
nass
7
750 Nm
6T25
trocken
7
250 Nm
7DT
nass
6
780 Nm
Porsche
7G-DCT
nass
7
350 Nm
Mercedes-Benz A-/B-Klasse
C635
trocken
6
350 Nm
Fiat, Chrysler
DL501
nass
7
550 Nm
Audi
DL1300
nass
7
1.250 Nm
DQ200
trocken
7
250 Nm
Audi, Seat, Skoda, VW
DQ250
nass
6
350 Nm
Audi, Seat, Skoda, VW
DQ500
nass
7
600 Nm
Audi, VW
GR6
nass
6
600 Nm
GS45X
nass
6
470 Nm
M038S6
nass
6
430 Nm
Mitsubishi Nfz
MPS6
nass
6
450 Nm
OG-7DCT
nass
7
750 Nm
Mc Laren
PS250
trocken
6
280 Nm
Ford, Renault
trocken
6
280 Nm
SPS6
nass
6
470 Nm
Mitsubishi Pkw
Quelle: Borg Warner
DKG-Ölwechselintervalle
Marke
Getriebe/Baureihe
Ölwechselintervall
Alfa Romeo
TCT (C635)
120.000 km
Audi
02E (6 Gänge, Nasskupplung)
60.000 km
0AM (7 Gänge, Trockenkupplung)
kein Wechsel vorgesehen
0B5 (7 Gänge, Nasskupplung)
60.000 km (nur Öl der Kupplung)
0BH (7 Gänge, Nasskupplung)
60.000 km
BMW
M3 (E90/92/93), M6 (E63/64)
erstmals beim ersten Ölwechsel,dann bei jedem dritten Ölwechsel
1er M (E82)
einmalig bei Einfahrkontrolle
Ford
keine Angabe
60.000 km/36 Monate
Seat
02E (6 Gänge, Nasskupplung)
60.000 km
0AM (7 Gänge Trockenkupplung)
kein Wechsel vorgesehen
Skoda
02E (6 Gänge, Nasskupplung)
60.000 km
0AM (7 Gänge Trockenkupplung)
kein Wechsel vorgesehen
Volvo
C30, C70 II, S40, V50
80.000 km
alle außer C30, C70 II, S40, V50
90.000 km
VW
02E (6 Gänge, Nasskupplung)
60.000 km
0AM (7 Gänge Trockenkupplung)
kein Wechsel vorgesehen
0BT (7 Gänge, Nasskupplung)
60.000 km
Auswahl, Quelle: Audacon
- Ausgabe 4/2012 Seite 16 (395.7 KB, PDF)