Rund zwei Jahre seines Lebens verbringt der Durchschnittsdeutsche im Auto. Da ist es nur verständlich, dass man sich in den eigenen vier Rädern wohl fühlen will - und sich das auch etwas kosten lässt: Gut 330.000 Euro gehen hierzulande für ein automobiles Leben drauf, so eine Studie, an der unter anderem das Kraftfahrtbundesamt beteiligt war. Die Anschaffungskosten machen dabei nicht einmal die Hälfte aus, vieles fließt in den Unterhalt und in den sogenannten After-Sales-Market, also die Produkte, die nach dem Fahrzeugkauf noch erworben werden - von der Fußmatte bis zum Dachgepäckträger, von der Leistungssteigerung bis zu den Breitreifen. In Summe setzt der Zubehörhandel pro Jahr gut 70 Milliarden US-Dollar (64 Mrd. Euro) um.
Das Gros des Geschäftes wird allerdings nicht bei uns gemacht, fast die Hälfte des Geldes geben die US-Amerikaner aus. Dort trifft sich auch die Branche, die in der Specialty Equipment Market Association (SEMA) organisiert ist, zu ihrem größten Stelldichein. Jedes Jahr findet Anfang November die Sema-Show statt, in der Stadt, zu der getunte und gestretchte Autos gehören wie das Amen in der Hochzeitskapelle – Las Vegas.
Was das Tuning-Herz begehrt
Hier findet sich alles, was das Tuning-Herz höher schlagen lässt, vom Tieferlegungs-Kit bis auf Asphaltniveau, über schrillbunte Räder für extragroße Geländewagen bis hin zur teilweise exorbitanten Leistungssteigerung für ohnehin nicht schwache Boliden. Mittlerweile entdecken auch immer mehr Autohersteller den Markt für sich, und wollen das Geschäft nicht mehr komplett den mehr oder weniger kleinen Tuningfirmen überlassen. Auch aus Deutschland hat sich ein Autobauer in die Sin City gewagt: BMW stellt diverse Anbauteile seiner M-Performance-Serie für das M4 Coupé und erstmals auch für das M2 Coupé vor, mit denen sich die schon ab Werk nicht ganz alltäglichen Flitzer weiter individualisieren lassen: Fronteinsätze, Heckdiffusor und Spoiler aus Karbon sowie die Tieferlegung sind für Aeordynamik und Optik gleichermaßen förderlich, die neue Abgasanlage sorgt für kräftigeren Klang und im Innenraum gibt es einen sportlichen Alcantara-Karbon-Mix.
Während sich die Münchner aufs Aufmotzen beschränken, stellt Mazda auf der Sema gleich zwei komplette Studien auf MX-5-Basis vor und will damit der US-Kundschaft den Roadster schmackhaft machen. Der Spyder zeichnet sich durch sein leichtes Stoffdach aus, dass sich wie ein Sonnensegel über den Fahrgastraum spannt und deutlich cooler wirkt, als das herkömmliche Verdeck. Ganz ohne Haube - und auch ohne Windschutzscheibe - kommt der Speedster aus, der dank Türen und Sitzen aus Karbon nur 943 Kilogramm auf die Waage bringt. Eigentlich schade, dass beide wohl nie in Serie gehen werden.
Bloß kein Regen
Dieses Schicksal dürfte auch das Kia Optima Cabrio ereilen, eines von sechs Concept Cars der Koreaner, die die verschiedenen Regionen der USA repräsentieren sollen. Damit es während der Fahrt nach Key West ordentlich pustet, machen 245-Turbo-PS dem Unikat Beine. Nur regnen sollte es nicht, denn für die Studie mit den gegenläufig öffnenden Türen gibt es kein Verdeck. Für schlechtes Wetter ist der Südstaaten-Kia Forte Koup Mud Bugger besser geeignet: der höhergelegte Buggy mit 28-Zoll-Rädern hat eindeutig Lust auf Dreck. Ein grüner Abenteuer-Sorento soll den Nordwesten rund um Seattle repräsentieren, der Trailster auf Soul-Basis mit massivem Unterfahrschutz steht für die Rocky Mountains. Und um die Schönheit des Indian Summers im Nordosten einfangen zu können, haben die Koreaner ihren Mini-Van Sedona mit speziellen Halterungen für Kameras zum Fotofahrzeug umgerüstet.
Ganz so kreativ ist Ford nicht, dort findet man die üblichen Verdächtigen, derer sich allerdings verschiedene Tuner angenommen haben: Fiesta ST, Focus ST und natürlich auch den Mustang. So wurde der Stark-Focus unter anderem von CJ Pony Parts bearbeitet, die dem Zwei-Liter-Vierzylinder einen neuen Turbolader, eine größeren Ladeluftkühler und einen Sportauspuff verpasst haben. Mit knalloranger Lackierung, neuem Frontsplitter und breiten Seitenschweller sieht der Kompakte nochmal deutlich böser aus. Nicht weniger martialisch wirkt der auf 400 PS hochgezüchtete Fiesta ST, und das kultige Ponycar gibt es gleich in zig Varianten - inklusive eines Mustangs mit regenbogenbunten Blinkern. Ebenfalls zu sehen: Das von Vaccar behandelte SUV Ford Edge, das, in seiner Zivilversion bald auch nach Europa kommt.
Hauptsache auffallen
Egal wo man hinschaut, es geht um größer und länger, schneller und tiefer. Oder einfach nur darum, möglichst stark aufzufallen: Das schafft auch der mattblaue Chrysler 300 ebenso, wie der olivgrüne Hyundai Tucson mit riesigem Dachzelt oder der bitterbös’ dreinblickende Chevrolet Camaro. An vielen Ständen allerdings wird der gute Geschmack auch auf eine harte Probe gestellt: Sei es der quietsch-pink-farbene Honda mit goldenen Rädern, ein tiefergelegter Rolls-Royce Phantom oder der zum Achttürer umgebaute Pick-Up Toyota Tundra - auf der Sema-Show ist eben nichts unmöglich. (sp-x)