Die Geschmäcker sind unterschiedlich: Der eine mag sein Fahrwerk hart wie ein Brett, was gemeinhin als sportlich gilt, der andere möchte wie auf einer Sänfte dahinschweben. "Wobei hart nicht immer automatisch sportlich heißt", erklärt Rainer Popiol, Trainings- und Schulungsleiter beim Stoßdämpfer-Spezialisten Bilstein. Ein Standard-Fahrwerk, so wie es für die meisten Autos angeboten wird, ist daher immer ein Kompromiss für möglichst viele Fahrsituationen.
Ist der Kunde mit der Standardeinstellung seines Fahrwerks nicht zufrieden oder möchte er sein Auto auch mal auf der Rennstrecke bewegen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, es anzupassen. Werkstätten sollten deshalb eine Bedarfsanalyse beim Kunden machen: Denn nicht immer decken sich Realität und Erwartungshaltung. Manche Menschen wollen aus Prinzip immer die teuerste Lösung. Doch oft sind gerade diese Produkte für einen ganz speziellen Anwenderkreis entwickelt oder bieten eine Fülle an Optionen, die den normalen Autofahrer schlichtweg überfordern.
Manuell oder elektronisch
Eine Möglichkeit das Fahrwerk den individuellen Vorlieben anzupassen, ist der Einsatz von Stoßdämpfern mit einstellbarer Dämpfkraft. Bilstein bietet beispielsweise beim Gewindefahrwerk "Bilstein B16" die Möglichkeit manueller Verstellung der Dämpfkraft auch im eingebauten Zustand. Darüber hinaus lässt sich auch die Fahrzeughöhe stufenlos in einem bestimmten Bereich variieren. Die Zug- und Druckstufe des Dämpfers lässt sich dabei ohne Werkzeug mechanisch über ein so genanntes 1-Wege-Verstellsystem mit Rädchen einstellen, das in zehn fühlbaren Klicks einrastet und so ein haptisches Feedback bietet. Die Grundkennung wird durch genau definierte Ventildurchgänge und Widerstände im Dämpferkolben realisiert. Die Dämpfkraftverstellung erfolgt dabei durch einen, dem Dämpferkolben parallel geschalteten Bypass. Dieser regelt einen zusätzlichen Ölstrom für eine weichere oder härtere Kennung. Die Bilstein-B16-Dämpfer sind darüber hinaus mit der Einrohrtechnik aus dem Motorsport ausgestattet, die durch die größere Wirkfläche des Kolbens für eine bessere Dämpfkraft sorgt und auch die Verwindungssteifigkeit in der Verbindung von Rad zu Karosserie verbessert. Diese Technik eignet sich daher nicht nur für Rennwagen, sondern auch besonders gut für Fahrzeuge, die oft schwere Ladungen transportieren oder im Anhängerbetrieb verwendet werden.
Eine noch komfortablere Einstellung der Zug- und Druckstufe bietet die Variante Bilstein B16 Ridecontrol: Hier erfolgt die Verstellung des Fahrprofils elektronisch über einen vom Fahrer betätigten Schalter im Cockpit. Per Knopfdruck kann zwischen einem komfortablen Normalmodus und einer Sporteinstellung gewählt werden. Der Hersteller bietet das Fahrwerk auch als Bilstein B16 Damptronic für Fahrzeuge an, die ab Werk mit einem aktiven Dämpfungssystem ausgestattet sind. Für Fahrzeuge ohne aktive Dämpfung, die das System nachrüsten wollen, ist das B16 Ridecontrol geeignet. Das aktive System ist zudem in der Lage, den Fahrbahnzustand zu erkennen und das Fahrwerk entsprechend weicher oder härter zu machen, um Bodenhaftung und Spurstabilität zu erhalten. Bei Fahrzeugen, die mit dem Bilstein Ridecontrol nachgerüstet worden sind, ist zusätzlich das iRC-Modul verfügbar, mit dem sich das Fahrwerk per Smartphone ansteuern lässt. Hier lassen sich zahlreiche weitere Parameter festlegen und sogar ein "Auto"-Modus einstellen, der das Fahrwerk aktiv an den jeweiligen Fahrzustand anpasst.
Wer sein Fahrzeug auf der Rennstrecke bewegen möchte, ist hingegen mit den Clubsport-Dämpfern von Bilstein gut bedient. Die Dämpfer nutzen Technik aus dem Motorsport und sind besonders robust ausgeführt. Sie verfügen gleich über zwei Verstellrädchen, um Zug- und Druckstufe separat in zehn Stufen einstellen zu können. Somit sind 100 verschiedene Einstellungen zwischen weich und straff möglich.
Peripherie beachten
Beim Austausch der Stoßdämpfer sollte auch beachtet werden, dass die Feder zum neuen Modell passt. Bilstein liefert deshalb bei Sportfahrwerken wie dem Clubsport generell die passenden Federn mit. Nur beim leistungsoptimierten Modell Bilstein B6, bei der die Höhe des Fahrwerks nicht verändert wird, lassen sich Serienfedern verwenden. Dasselbe gilt bei der Fahrwerks-Tieferlegung: Hier müssen Dämpfer und Federn optimal zusammenspielen. Denn Tieferlegungsfedern bedingen eine "härtere" Federrate, auf die der Serienstoßdämpfer nicht ausgelegt ist. In Extremsituationen würde er nicht die notwendige Dämpfleistung erbringen, was dazu führt, dass die Feder in Extrembereichen arbeitet und im schlimmsten Fall bis zum Anschlag durchfährt.
Unabhängig vom verbauten Fahrwerk müssen für ein optimales Ergebnis auch noch andere Dinge berücksichtigt werden: Extreme Reifenquerschnitte können die Fahreigenschaften des Autos genau so negativ beeinflussen wie überdimensionierte Felgen, welche die ungefederten Massen stark vergrößern. Gerade beim Kauf von Gewindefahrwerken sollte auch immer darauf geachtet werden, dass das jeweilige Produkt einen eingetragenen Verstellbereich besitzt. Denn ist das Fahrzeug außerhalb des zulässigen Bereichs, muss die Änderung beim TÜV oder einer anderen zulässigen Prüforganisation abgenommen werden - ansonsten erlischt die Betriebserlaubnis.
Kurzfassung
Die Einstellung des Fahrwerks ist Geschmackssache und hängt auch vom Einsatzzweck des Autos ab. Wir zeigen verschiedene Möglichkeiten auf, wie das Fahrwerk an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden kann.
So wirkt sich die Dämpferverstellung aus
Dämpfer und Feder vorne härter: Balance geht mehr in Richtung untersteuernDämpfer und Feder vorne weicher: Balance geht mehr in Richtung übersteuernDämpfer und Feder hinten härter: Balance geht mehr in Richtung übersteuernDämpfer und Feder hinten weicher: Balance geht mehr in Richtung untersteuernDämpfer und Feder insgesamt weicher: Mehr Rollen um die Längsachse, mehr GripDämpfer und Feder insgesamt härter: Weniger Rollen um die Längsachse, weniger Grip
- Ausgabe 07/08/2018 Seite 22 (210.7 KB, PDF)