Noch in den 1970er-Jahren bestand ein Auto noch zu einem Großteil aus konventionellem Stahl. Leichtbau-Materialien wie Aluminium machten nur einen geringen Teil der Karosserie aus. Durch die strengeren Emissionsvorschriften bei gleichzeitig steigender Komplexität der Fahrzeuge wurden die Autohersteller jedoch gezwungen, das Gewicht der Karosserie über die Jahre zu reduzieren, denn jedes Kilo Gewichtsersparnis spart auch Kraftstoff ein. Bei der Elektromobilität ist das sogar essentiell für mehr Reichweite. Eine Abspeckkur macht sich aber auch beim Fahrverhalten bemerkbar, denn ein leichteres Auto fährt sich agiler und durch eine bessere Gewichtsverteilung erhöht sich auch die Sicherheit. Um das Gewicht des Autos zu reduzieren, kommt im modernen Fahrzeugbau deshalb ein Mix unterschiedlichster Leichtbau-Materialien wie Magnesium, faserverstärkten Polymeren wie CFK und GFK sowie Hybridwerkstoffen, die aus Kunststoffen und Metall bestehen, zum Einsatz. Um diesen "Multimaterial"-Mix in eine Karosserie zu bringen, sind auch neue Fügeverfahren notwendig: Das Schweißen wird zunehmend durch Nieten und Kleben ersetzt.
Auch die Herstellung von Karosserieteilen in der Massenproduktion ändert sich: Neue Verfahren wie beispielsweise das inkrementelle Schwenkbiegen (ISB) sollen unterschiedliche Stahlprofile ohne formgebundene Sonderwerkzeuge ermöglichen. Auch die Massenproduktion von Kohlefaser-Teilen stellt die Autohersteller vor Herausforderungen. Zudem wird die Unfallinstandsetzung und Reparatur von Fahrzeugen komplizierter, da die Werkstätten deutlich mehr Aufwand betreiben müssen ( siehe Interview auf S. 24). Jeder Werkstoff hat seine individuellen Vor- und Nachteile. Es ist deshalb wichtig genau zu bestimmen, an welcher Stelle er zum Einsatz kommt. Frei nach dem Motto "das richtige Material an der richtigen Stelle in der richtigen Menge" hat Audi beispielsweise in der Karosserie des neuen Audi A8 einen Mix aus Aluminium, Stahl, Magnesium und kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) verbaut.
Stahl nach wie vor wichtig
Stahl hat sich allen Unkenrufen zum Trotz im Automobilbau bewährt. Durch den vermehrten Einsatz hochfester und ultrahochfester Stähle lässt sich das Gewicht des Fahrzeugs reduzieren, ohne Einbußen bei der Festigkeit hinnehmen zu müssen. Mangan-Bor-Stähle werden bei der Warmumformung zunächst auf 950 Grad Celsius erwärmt und anschließend umgeformt. Durch die gezielte Abkühlung im Werkzeug wird das Material dann sehr hart und erreicht eine hohe Bauteilfestigkeit. Das ist ideal, um besonders dünne, aber gleichzeitig feste Bleche zu erzeugen. Der Bedarf für warmumgeformte Stähle ist in den letzten Jahren rasant angestiegen und wird laut dem Pressenhersteller Schuler in den nächsten Jahren weiter zunehmen ( siehe Grafik). Neben der Warmumformung ist die partielle Vergütung im Stahlbereich ebenfalls ein Trend, um unterschiedliche mechanische Eigenschaften in einem Bauteil zu realisieren. Dabei wird durch unterschiedlich schnelle Abkühlung eines Teilbereichs des Bauteils eine unterschiedliche Härte erzeugt. Ein Beispiel ist die B-Säule eines Fahrzeugs, die im unteren Bereich nachgeben und sich verformen soll, während in Kopfhöhe des Fahrers eine möglichst hohe Festigkeit gefordert ist. Eine partielle Vergütung spart auch Prozessschritte, denn das Verschweißen von Stählen mit unterschiedlichen Eigenschaften entfällt.
Viele Autohersteller setzen in der Oberklasse auch vermehrt Aluminium ein. So sollen laut Audi 58 Prozent des neuen A8 aus dem Leichtmetall in Form von Gussknoten, Strangpressprofilen und Blechen bestehen. Auch Ford setzt beim Pickup F150 überwiegend auf Aluminium.
Noch leichter als Aluminium ist Magnesium, das im Automobilbau ebenfalls eingesetzt wird. Das Material ist jedoch leicht brennbar, was es nicht tauglich für jeden Bereich macht. Audi fertigt beispielsweise die Domstrebe des neuen A8 aus Magnesium. Weniger gefährlich sind glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) und kohlefaserverstärkte Kunststoffe (CFK), die viel Potenzial zur Gewichtsreduzierung bieten. Aufgrund ihrer aufwendigen Herstellung sind die jedoch relativ teuer und werden meistens bei Außenhautbauteilen eingesetzt. Autohersteller BMW baut beispielsweise die Fahrgastzelle des i3 aus Kohlefaser. Aber auch im neuen 7er-BMW kommt das Material zum Einsatz. Verbundmaterialien können zudem im Fahrwerk verwendet werden: Henkel hat eine Blattfeder auf Basis eines Polyurethan-Matrixharzes mit Glasfaserverstärkung entwickelt, die in der Hinterachsaufhängung des SUV Volvo XC90 integriert ist. Inzwischen sind auch die neuen Volvo-Modelle V90 und S90 mit der Blattfeder ausgestattet. Bei allen drei Fahrzeugmodellen ermöglicht die Querblattfeder eine Gewichtsersparnis von 4,5 Kilogramm im Vergleich zu herkömmlichen Stahlschraubenfedern.
Kurzfassung
Autohersteller setzen in der Karosserie vermehrt auf einen Mix unterschiedlicher Materialien, um das Gewicht zu reduzieren. Das macht auch neue Fügetechniken und Produktionsprozesse notwendig. Die Instandsetzung wird ebenfalls aufwendiger.
- Ausgabe 05/2017 Seite 22 (322.9 KB, PDF)