Von Michael Gebhardt/SP-X
Zu ihrer Kupplung haben die meisten Autofahrer wahrscheinlich ein nüchternes Verhältnis. Manche kämpfen immer wieder beim Anfahren mit ihr, und der ein oder andere verflucht sie im Stop-and-Go-Verkehr; für die meisten ist sie aber einfach nur Mittel zum Zweck. Und zwar ein weit verbreitetes: Von jährlich rund 90 Millionen verkauften Fahrzeugen weltweit sind über 40 Millionen mit einem manuellen Getriebe ausgestattet – Tendenz steigend. Es wird also Zeit, sich über diese unscheinbare Bauteil Gedanken zu machen. Der Zulieferer Schaeffler hat das getan, und erstaunliches zu Tage gebracht. Zukünftig soll die Kupplung beim Spritsparen helfen.
Der Zusammenhang zwischen Kupplung und CO2-Ausstoß wird erst auf den zweiten Blick deutlich, und er hat auch nicht direkt mit dem linken Pedal zu tun. Vielmehr schafft die Kupplung der Zukunft die Voraussetzung, dass auch Handschalter problemlos Segeln, also im Leerlauf oder noch besser bei abgeschaltetem Motor, dahinrollen können, und dabei sieben Prozent oder mehr Kraftstoff einsparen. Möglich macht das die von Schaeffler entwickelte e-Clutch, (e-Kupplung) die der Zulieferer in gleich drei Ausbaustufen bereithält.
Beim Basismodell MTplus setzen die Ingenieure auf ein herkömmliches System: Vom Pedal aus wird der Befehl hydraulisch an die Kupplung übertragen und diese geöffnet. Allerdings hat Schaeffler, quasi auf halbem Weg, einen Aktor eingebaut, also ein Antriebselement, das den gleichen Befehl geben kann, wie der linke Fuß. Geht der Fahrer vom Gas, und tritt auch keines der anderen beiden Pedale, schaltet sich der Aktor ins Geschehen ein und öffnet die Kupplung; schon läuft der Motor im Leerlauf mit. Das allein spart gut drei Prozent Sprit. Schaltet man das Aggregat jetzt noch komplett ab – das ist heutzutage kein Hexenwerk mehr, und auch das Starten während der Fahrt gelingt problemlos – wird das Sparpotenzial mehr als verdoppelt.
Einfach segeln
Noch einen Schritt weiter geht Schaeffler bei der nächsten Ausbaustufe, der sogenannten Clutch-by-Wire-Lösung. Statt einer Hydraulikleitung vom Pedal zur Kupplung, sendet der Fahrer nur noch einen elektrischen Befehl an den Aktor, der dann das Öffnen und Schließen der Kupplung übernimmt. So kann wie schon mit dem MTplus ganz einfach gesegelt werden. Diese Lösung bietet aber noch mehr Möglichkeiten: Da die Kupplung komplett elektronisch gesteuert wird, kann das System den Fahrer beim Anfahren unterstützen und den richtigen Schleifpunkt herstellen, egal wie schnell oder langsam der Fuß vom Pedal geht.
Es ist sogar möglich, den ersten Gang im Stand einzulegen und ohne Treten der Kupplung loszufahren; das dürfte auch im Stop-and-Go-Verkehr eine merkliche Entlastung bringen. Denkbar ist aber auch eine Einparkhilfe, bei der der Computer nicht nur beim Lenken, sondern auch beim Gasgeben helfend eingreift. Und auch mit einer variablen Kennlinie experimentieren die Entwickler: Ähnlich wie wir es vom Gaspedal kennen, das bei vielen Autos im Sportmodus spürbar geschärft wird, ließe sich künftig auch die Kupplung an die Fahrsituation anpassen.
Kupplung soll komplett verbannt werden
Das Gros der Autofahrer dürfte sich am meisten aber auf die High-Tech-Variante namens EKM (Elektronisches Kupplungs-Management) freuen. Im letzten Schritt will Schaeffler die Kupplung komplett aus dem Auto verbannen. Was bleibt, ist der Schalthebel, der um ein paar Sensoren erweitert wird. Sobald der Fahrer den Gang wechselt, erkennen die Fühler sein Ansinnen und schicken ein Signal an den Aktor, der die Kupplung öffnet; ist der Gang eingelegt, gibt das Getriebe den Befehl zum Schließen. Das gab es früher schon, doch sind die Systeme wieder vom Markt verschwunden; vielleicht weil sie nicht so komfortabel waren wie heute und auch nicht Segeln konnten. Inzwischen aber funktioniert die Technik einwandfrei, nicht mal vom Gas muss man beim Schalt mehr gehen und es ruckt kaum mehr, als wenn man selbst zum Schalthebel greift. Was aber, wenn man die Gangwechsel dabei ganz vergisst? Kein Problem: Nach oben greift irgendwann der Begrenzer ein, nach unten lässt sich auch mit eingelegtem, hohen Gang bis zum Stillstand abbremsen. Nur zum Anfahren sollte man dann wieder in den ersten wechseln.
Dass Schaeffler seine Versuchsträger für erste Schnupperrunden zur Verfügung stellt, zeigt, wie weit die Herzogenauracher mit dem Thema e-Clutch schon sind. Spätestens Mitte 2018 sollen alle drei Varianten serienreif sein. Ab 2019 könnten sie in ersten Modellen auf den Markt kommen. Ihr Interesse haben die meisten Hersteller schon bekundet. Das wundert allerdings nicht, treten doch 2021 weiter verschärfte Abgasnormen in Kraft, und die Autobauer greifen nach jedem Strohhalm, um noch das ein oder andere Gramm CO2 einzusparen.