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Baja Bug: Dreckskarre auf Zeitreise

08.02.2016 11:02 Uhr
Der Käfer kann nicht nur niedlich.
© Foto: Benjamin Bessinger/SP-X

Mit Autos hatte er nichts am Hut und die Baja California kannte er nur vom Fernsehen. Doch jetzt ist der Amerikaner Jim Graham von diesem Wüstenrennen förmlich besessen und wird alle paar Wochen bereitwillig zu einem echten Dreckskerl.

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Von Benjamin Bessinger/SP-X

Obwohl er von Autos nicht mehr wusste als jeder 0815-Fahrer und bis dahin noch nie ein Rennen live gesehen hatte, verfehlte die TV-Droge ihre Wirkung nicht: "Noch bevor ich den Fernseher ausgeschaltet habe und ins Bett gegangen bin, habe ich gewusst: Da muss ich mitmachen." Und weil der Wunsch am anderen Morgen keinen Deut weniger sehnlich war, hat er ihn nur elf Monate später in die Tat umgesetzt, ein Team zusammengetrommelt und ist tatsächlich bei der Baja gestartet.

Höllisch viel Spaß

Wo Profis wie der deutsche Armin Schwarz mit teilweise über 800 PS starken Hightech-Rennwagen antreten und mit riesigen Budgets fast so imposante Teams auffahren wie bei der Rallye Dakar, hat Graham sein Team bei seiner ersten Baja in einem alten VW Käfer ins Rennen geschickt und dem Beetle seitdem die Treue gehalten. Das hat zum einen etwas mit Tradition zu tun, sagt der Amerikaner und erinnert daran, dass der Beetle als Baja Bug bereits bei der ersten Auflage des Rennens im Jahr 1967 mit am Start war. Aber es hat vor allem pragmatische Gründe. Denn während die modernen Rennwagen in die Hunderttausende gehen, gibt es einen konkurrenzfähigen Baja Bug als guten Gebrauchten schon ab 7.000 Dollar und als neu aufgebauten Rallye-Boliden für kaum das Doppelte, erzählt Graham. Und wo die PS-Profis teure Lizenzen brauchen, zahlt man in seiner Klasse ein läppisches Startgeld von 100 Dollar, meldet vier Fahrer und darf mitmachen. "Unter dem Strich kostet so ein Rennen weniger als ein paar Tage Urlaub", sagt er und beziffert sein Baja-Budget mit deutlich unter 10.000 Dollar. "Klar, es ist nicht ganz so erholsam, aber es macht dafür höllisch viel Spaß."

Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb Graham so gerne mit dem Käfer durch die Wüste pflügt: Das Auto lässt sich problemlos zum Rallye-Wagen umrüsten und wenn mal eines kaputt geht, gibt es in Amerika noch immer Nachschub ohne Ende. Auch deshalb ist der spätberufene Dreckskerl mit dem Wagen wenig zimperlich: Wo andere einen 69er Käfer wahrscheinlich nur mit Samthandschuhen anfassen würden, repariert er ihn schon einmal mit dem Holzhammer. Und bis auf den vom Reglement vorgeschriebenen Motor im Serienstand von 1969 und den verbeulten Blechen der buckligen Karosserie ist ohnehin nicht mehr viel original an dem Wüstenflitzer: Das Fahrwerk aufgebockt, die Kabine leergeräumt, die Seitenscheiben durch Netze ersetzt und hinter dem nackten Armaturenbrett zwei Schalensitze mit Hosenträger-Gurten unter einem Überrollkäfig – mehr braucht man nicht, wenn man die Baja bezwingen will.

Dann legt Graham unter dem Armaturenbrett einen Schalter umlegt, aktiviert die Zündung und lässt mit einem Knopfdruck den vom Wüstensand komplett bedeckten Motor an. "Immer schön Gas geben", ruft er, bevor seine Stimme von einem lauten Dröhnen verschluckt wird. Denn auch wenn der Baja Bug aus dem Boxer gerade einmal 54 PS zaubert, macht er Krach wie ein großer und man versteht sein eigenes Wort nicht mehr. Kein Wunder: Wenn man ohne jede Dämmung in einer Kiste aus nacktem Blech sitzt und die Drehzahl über 5.000 Touren treibt, klingt selbst ein asthmatischer 1600er wie eine Höllenmaschine. Erst recht, wenn die grobstolligen Reifen mit jeder Umdrehung von unten einen Eimer Kiesel gegen die hohlen Kotflügel schleudern. Dann hört sich der Käfer an wie eine Dose, in der jemand die letzten Kekse zu Krümeln schüttelt.

Abseits vom Asphalt wird er zur Dreckskarre

Sobald der Baja Bug runter ist vom Asphalt, ist er in seinem Element und wird buchstäblich zu einer Dreckskarre. Der Schlamm spritzt meterhoch, durch die offenen Bodenbleche schwappt eine undefinierbare Brühe aus Motoröl und dem Wasser der wenigen Pfützen auf dem Weg und kaum hat der Käfer ein paar Pirouetten gedreht versinkt die Gegend in einem undurchdringlichen Nebel aus Sand, Steinen und Staub.

Dabei heizt sich die Kabine auf wie ein Backofen, nach fünf Minuten klingeln einem die Ohren und man will sich gar nicht vorstellen, wie sich das in einem modernen Rennwagen mit Vollgas anfühlt. Aus gutem Grund fährt Grahams Team im Rennen mit einem gekühlten Helm und wird wie ein Kampfpilot über den Kopfschutz direkt mit Sauerstoff versorgt.

Natürlich sind 54 PS mickrig und wenn man mit dem Wüstenflitzer auf Testfahrt geht, fühlt sich das eher an wie eine Oldtimer-Tour als wie ein Rennfahrer-Training. Denn von 0 auf 100 braucht der Baja Bug bald 20 Sekunden und selbst mit Rückenwind und einem langen Gefälle sind mehr als 120 Sachen nicht drin, räumt Graham ein. "Aber erstens fühlt sich das in der Wüste ganz anders an", brüllt er in den Lärm des Boxer-Motors. "Und zweitens ist das Tempo in unsere Klasse Nebensache", lacht er über einen Schnitt von weniger als 40 km/h. "Bei uns geht es vor allem ums Durchhalten", verrät er die Taktik in der Käfer-Klasse. "Wer heil im Ziel ankommt, der hat beste Chancen auf den Sieg."

Motor flog aus dem Heck

Grahams Team war das bei seinem ersten Rennen nicht vergönnt. "Nach kaum mehr als 150 Meilen ist und der gesamte Motor aus dem Heck geflogen und wir mussten unseren Traum erst einmal begraben", erinnert sich der Baja-Beginner. Aber wie das so ist mit Viren, ist auch das Baja-Virus ziemlich resistent und sein Fieber lässt sich allein mit einer Panne nicht kurieren. Also hat Graham die nächsten zwölf Monate genutzt, am Auto geschraubt und es im Jahr darauf wieder probiert. Und wieder, und wieder und wieder.

Was 2006 als Liebelei begonnen hat, ist für Graham deshalb mittlerweile fast schon ein kleines Business geworden. Zwar fürchtet er mehr als jede Panne die peinliche Frage seiner Frau, wie viel Geld sein Hobby seit dem schicksalshaften Fernsehabend denn schon verschlungen habe. Und von einer Refinanzierung ist er all den Sponsorenaufklebern zum Trotz noch weit entfernt. Doch immerhin betreibt er heute mit seinem "Desert Dingo Racing-Team" einen kleinen Rennstall, tritt mit zwei identischen Käfern in verschiedenen Serien an und gehört zu den Stammgästen auf dem Podium.

Doch ganz gleich ob in Mexiko, Kalifornien oder Nevada – all diese Siege zählen nicht so richtig für Jim Graham. Denn ausgerechnet auf der Baja California hat es für ihn noch nie zum ersten  Platz gereicht. Deshalb kann und will der Mittfünfziger auch nicht ans Aufhören denken: "Bevor ich dort nicht gewonnen habe, stelle ich meinen Baja Bug ganz sicher nicht ab."



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