Kurzfassung
Christian Gabler leitet künftig zusammen mit Heinrich Traude die Carat Gruppe. Seine Mission ist es, im Handel den Mittelstand gegenüber den Konzernen wettbewerbsfähig zu halten und Werkstätten zukunftssicher zu machen.
asp: Künftig wird die Carat Gruppe von einer Doppelspitze geführt. Wie sieht die Arbeitsteilung im Führungsduo aus?
Christian Gabler: Historisch war die Carat Gruppe immer durch eine Doppelspitze geführt und dahin möchten wir nach dem Ausscheiden von Thomas Vollmar auch wieder hinkommen. Die Aufgabenschwerpunkte werden in der neuen Geschäftsführung aufgeteilt. Heinrich Traude wird die Bereiche Finanz- und Rechnungswesen, Recht, Personal und den großen Bereich IT verantworten, mein Aufgabenschwerpunkt liegt in den Bereichen Category Management, Marketing und Logistik. Grundsätzlich haben wir beide als Geschäftsführer umfangreiche Fachkenntnisse und werden uns gegenseitig in allen Bereichen ergänzen und unterstützen.
asp: Was sind in den kommenden Jahren die wichtigsten Herausforderungen für Carat und den mittelständischen Teilegroßhandel?
C. Gabler: Zuerst einmal können wir uns glücklich schätzen, dass der freie Reparaturmarkt bei allgemein rückläufigem Service- und Reparaturgeschäft stetig Marktanteile im Vergleich zu den Markenwerkstätten gewinnen konnte und damit auf Wachstumskurs ist. Das ist eine gute Ausgangslage, aber es gibt natürlich auch Herausforderungen: Die Fahrzeuge werden immer komplexer, die Arbeiten aufwendiger, die Teile teurer. Werkstätten müssen in ihre Werkstatttechnik investieren und sich stetig fortbilden. Gleichzeitig finden große Veränderungen in der Mobilität und in der Gesellschaft allgemein statt. Der Fachkräftemangel und immer neue gesetzliche Vorgaben stellen unsere Werkstätten ebenfalls vor große Herausforderungen.
asp: Was heißt das konkret für Carat?
C. Gabler: Die Carat selbst hat als Kooperation des Mittelstands insbesondere mit dem Verdrängungswettbewerb im Teilehandel zu kämpfen, wo große Marktteilnehmer versuchen, kleine und mittelständische Händler zu verdrängen. Darüber hinaus tauchen neue Marktteilnehmer auf, die insbesondere im Onlinehandel versuchen Fuß zu fassen. Wir geben unseren Gesellschaftern die bestmögliche Unterstützung im Tagesgeschäft und statten Sie mit zahlreichen Maßnahmen und Tools aus, um sich im angespannten Wettbewerbsumfeld dennoch zu behaupten.
asp: Carat hat schon vor Jahren viele Weichen Richtung Digitalisierung gestellt ...
C. Gabler: Absolut! Gerade im Bereich der digitalen Serviceprozesse können wir uns als Vorreiter der Branche bezeichnen. Bei manchen Themen hat man uns vor ein paar Jahren noch belächelt, nun sind diese digitalen Trends präsenter denn je. Mit unserer Plattform Drivemotive bedienen wir schon heute den digitalen Werkstattkunden, der seinen Servicetermin jederzeit und von überall aus online buchen möchte und dabei schon vorab möglichst viele Informationen erhalten möchte.
asp: Welche Learnings haben sich auf diesem Weg für Carat ergeben?
C. Gabler: Wir haben vieles ausprobiert, einiges auch wieder verworfen. Das waren wichtige Erfahrungen, die uns bis heute immer wieder geholfen haben, den richtigen Weg zu wählen. Niemand hat das Patentrezept für die digitale Zukunft. Wir fühlen uns aber mit vielen Ideen und einigen bereits implementierten Lösungen gut gerüstet. Auch haben wir gelernt, dass Werkstätten sehr wohl den Sinn und die Notwendigkeit für digitale Weiterentwicklung sehen, sich aber in der Umsetzung schwertun. Wir versuchen daher gemeinsam mit unseren Großhändlern diesen Werkstätten den größtmöglichen Support zu geben und unsere Lösungen benutzerfreundlich zu gestalten.
asp: Wie ist der aktuelle Stand bei Drivemotive und wie geht es da weiter?
C. Gabler: Drivemotive ist bereits über ein Jahr erfolgreich mit seiner Terminvereinbarungs-Plattform am Markt aktiv und entwickelt sich beständig weiter. Auf technischer Seite entwickeln wir die Funktionen stetig weiter, können heute fahrzeugspezifische Services kalkulieren und bieten den Kunden einen Fahrzeugscheinscanner zur Fahrzeugidentifizierung. Weitere Funktionen sind in der Programmierung. Wir gewinnen stetig neue Meisterbetriebe hinzu, die sich registrieren und Servicedaten hinterlegen. Am meisten nachgefragt ist aktuell die Funktion, die kostenlose Online-Terminvereinbarung auf der eigenen Werkstatt-Webseite zu hinterlegen. Durch erste Anbindungen an DMS-Anbieter werden die Daten bestenfalls direkt in die Software der Werkstatt übernommen. Auch in diesem Bereich bauen wir die Schnittstellen stetig aus. Aber Drivemotive ist viel mehr als eine reine Online-Terminvereinbarung. Daher unternehmen wir zahlreiche Aktivitäten zur Online-Sichtbarkeit unserer Partnerwerkstätten und führen aktiv Neukundenkampagnen durch.
asp: Carat will ein neues Regionallager in Betrieb nehmen. Warum?
C. Gabler: Mit der Planung zur Errichtung weiterer Regionallager und strategischer Logistiknetzwerke reagiert die Carat auf den zunehmenden Verdrängungswettbewerb, dem sich unsere mittelständischen Teilehändler ausgesetzt sehen. Vor allem die "Großen" der Branche nutzen ihre Marktstellung, um kleinere Marktteilnehmer zu verdrängen und so das kleiner werdende Marktvolumen zu kompensieren. Gleichzeitig ist die Komplexität und Teilevielfalt in den letzten Jahren derart angestiegen. Für "kleinere" Teilehändler ist es kaum mehr möglich, eine zuverlässige und zeitnahe Versorgung der Kunden sicherzustellen, ohne sich untertägig bei regionalen Versorgern zu bedienen - damit stärkt man aber in letzter Konsequenz den eigenen Wettbewerb. Mit eigenen regionalen Versorgungslösungen wollen wir unsere Händler unabhängiger von diesem Weg der Untertageversorgung machen und die Wirtschaftlichkeit verbessern.
asp: Muss der Großhandel bei strategischen Themen stärker zusammenarbeiten?
C. Gabler: Unbedingt! Die Carat setzt sich bereits seit vielen Jahren dafür ein, dass die Marktteilnehmer in zentralen Themen enger zusammenrücken und gemeinsam versuchen, ein Gegengewicht zu den großen Playern der Branche, aber auch zu den Herstellern zu bilden. Im B2B-Bereich sind es die großen Marktteilnehmer, die versuchen eine marktbeherrschende Stellung einzunehmen und mittelständische Händler zu verdrängen, im B2C-Bereich bemühen sich die Fahrzeughersteller das attraktive Servicegeschäft zulasten der freien Werkstätten in ihrem Filialnetz zu halten. Nur wenn der IAM geschlossen auftritt und seine Kräfte bündelt, kann der freie und faire Wettbewerb in unserer Branche weiter bestehen.
asp: Wo finden freie Werkstätten künftig ihren Platz?
C. Gabler: Ich glaube, die Aussichten für freie Werkstätten waren selten so gut wie aktuell. Zum einen hat die Pandemie dazu geführt, dass das Auto bei den Menschen weiter an Bedeutung gewonnen hat. Dazu kommen weitere Faktoren wie das steigende Fahrzeugalter aufgrund schlechter Verfügbarkeit von Neufahrzeugen, hoher Preise bei Gebrauchtfahrzeugen und aktuell stark steigender Lebenshaltungskosten. All diese Faktoren begünstigen es, dass sich Autofahrer nach zeitwertgerechten Alternativen für den Fahrzeugservice umsehen. Wenn Werkstätten sich beständig an den sich wandelnden Markt anpassen und vor allem beim technischen Wissen immer auf dem neuesten Stand bleiben, werden sie auch weiterhin ein fester Bestandteil der Servicelandschaft sein.
Interview: Dietmar Winkler
- Ausgabe 07/08/2022 S.36 (104.3 KB, PDF)