Kurzfassung
Im Rahmen der Serie "60 Jahre Prüfplakette" wagen wir im letzten Teil einen Blick in die Zukunft. An einer neuen Generation des HU-Adapters als zentrales Element der periodischen Fahrzeugüberwachung wird derzeit gearbeitet.
Die Prüforganisationen beschäftigen sich aktuell intensiv mit den Herausforderungen des hochautomatisierten und vernetzten Fahrens und der damit ansteigenden Komplexität der Fahrzeugsysteme und den sich daraus ergebenden notwendigen Prüfmethoden und Prüftechnologien. Immer mehr Fahrzeuge mit automatisierten und vernetzten Fahrfunktionen, egal in welches Level diese eingestuft werden, erhalten anlassbezogene Updates ihrer Software. Das passiert unter anderem über die sogenannten "Over-the-Air"-Fahrzeugschnittstellen (OTA), um ihre Sicherheit zu gewährleisten oder auch um Änderungen von Rechtsvorschriften (z. B. der StVO) zu entsprechen. Diese Updates-Prozesse in den Fahrzeugen müssen sicher und auch in der periodisch technischen Überwachung in Zukunft überprüfbar sein.
Software-Prüfung
Dazu gehört die Überprüfung der Integrität der im Fahrzeug eingesetzten Software, der verarbeiteten Daten oder der Software-Infrastruktur und Vernetzung innerhalb des Fahrzeuges sowie die Kommunikation zu kooperierenden Systemen (Car to x). Das bedeutet, dass die Hauptuntersuchung der Zukunft noch differenzierter und digitaler sein wird. Sie muss in der Lage sein, diese komplexen Soft- und Hardwarestrukturen vollständig und richtig zu prüfen, eventuelle Manipulationen, Funktionsausfälle oder ungewollte bzw. fehlerhafte Änderungen zu erkennen und zu bewerten. Diese neuen Prüfumfänge subsumieren sich wie bisher zu den zu untersuchenden Baugruppen und Bauteilen nach den aktuell rechtlichen Vorgaben. Ein wesentlicher Bestandteil zur Weiterentwicklung der technischen Fahrzeugüberwachung in Deutschland war und ist die Nutzung des HU-Adapters. Der HU-Adapter ist seit 2015 integraler Bestandteil fast jeder Hauptuntersuchung geworden. Hier lohnt ein kurzer Rückblick. Rechtliche Grundlage war die 47. ÄndVStVR im Jahr 2012 und die Verankerung der Möglichkeit der Prüfung über die elektronische Fahrzeugschnittstelle in der HU-Richtlinie. Damit war man in Deutschland 2012 schon technologisch und methodisch weit vor der europäischen PTI-Richtlinie 2014/45/EU, welche erst im April 2014 verabschiedet wurde und diese Prüfmethode für ganz Europa ermöglichte. Seit 2015 steht der HU-Adapter den Prüfern in Deutschland zur Verfügung. Vorausgegangen war ein beispielloser großer zweijähriger Feldtest mit mehreren hundert Prüfern aller anerkannten Überwachungsorganisationen.
Aus diesem Validierungsprojekt sind viele Anregungen der Nutzer für die Funktionen bis hin zum abschließenden Design für das spätere Seriengerät eingeflossen. Noch heute steht auf jedem Typenschild des HU-Adapters der Name "Weimar 2", weil sich die Experten der Überwachungsorganisationen und der FSD - zentrale Stelle in Weimar in einer zweitätigen Sitzung auf den endgültigen Funktionsumfang und das einheitliche Design geeinigt hatten.
Auch heute ist der derzeit genutzte HU-Adapter bezogen auf den Prüfumfang hochaktuell und technisch nicht limitiert, allerdings ist der technische Entwurf nun auch schon fast 10 Jahre alt. Der Hersteller des Gerätes hat gegenwärtig immer mehr Mühe, entsprechende Bauteile oder Systemkomponenten für das aktuelle Gerät bereitzuhalten. So wird in einem letzten Produktionslos der Bedarf der Organisationen bis 2023 gedeckt, danach sollte dann das neue Gerät bereitstehen.
Aus den Erkenntnissen der Zusammenarbeit bei der Konzeption der ersten Generation des HU-Adapters werden unter der organisatorischen Führung der FSD - Zentrale Stelle in Dresden die Erfahrungen der Nutzer aus den letzten Jahren zusammengeführt und der technologische Rahmen für die oben beschriebenen neuen Herausforderungen festgelegt.
Neuer HU-Adapter
Das Nachfolgegerät, der "HU-Adapter 2023", so der Arbeitstitel, soll alle Prüfumfänge des bisherigen Gerätes einschließen und zugleich technologisch offen sein für die Prüfung von neuen Fahrzeugsystemen. Die Experten der FSD monitoren dazu die Fahrzeugentwicklungen der nächsten Jahre. Selbstverständlich werden die Elektromobilität und die verschiedenen Hochvoltsysteme sowie diverse Bordnetzauslegungen ebenfalls im Fokus sein, ebenso wie die vielfältigen neuen Schnittstellen im Fahrzeug.
Zusätzlich zum bekannten 16-poligen OBD-Zugang wird der nächste HU- Adapter kompatibel zu den sogenannten "Over-The-Air"-Fahrzeugschnittstellen sein, egal ob die Daten über WLAN, Ethernet, Bluetooth oder ggf. sogar via RFID übertragen werden. Alles wird gedacht, nichts ausgeschlossen. Natürlich wird der neue HU-Adapter auch wieder als Verzögerungsmessgerät oder zur dynamischen Achsdämpfungsprüfung einsetzbar sein.
"Form follows function", die Form folgt der Funktion, ist hierbei ein wichtiger Grundsatz bei der Nachfolgeentwicklung. Auch wenn sich viele Prüfer ein kleineres Gerät wünschen, ist das in der Praxis und durch die vielen Anforderungen nur dann möglich, wenn es keine funktionalen Einbußen gibt und das Gerät robust ist. Laut einer internen Abfrage wünschen sich die TÜV SÜD Prüfer ein vermindertes Gewicht vorrangiger als eine reduzierte Größe.
Vielseitigkeit ist gefragt
Grundsätzlich wichtig für die Nutzung und Akzeptanz des neuen HU-Adapters ist die Flexibilität für die Integration des Geräts in das IT-System der jeweiligen Prüforganisation wie beispielweise der Parallelbetrieb mit WLAN und Bluetooth sowie ein verbessertes Energiemanagement. Dieses garantiert die ganztägige Verfügbarkeit ohne längere Ladezeiten des HU-Adapters. Strategisch bedeutsam für den Prüfprozess ist die künftige Möglichkeit, den HU-Adapter als Interface zu den Abgasmessgeräten zu nutzen. Damit würde der HU-Adapter als externer Dongle für Abgas- oder weitere Diagnosetechnik nutzbar. Diese Idee ist nicht neu und derzeit wird auch mit dem aktuellen HU-Adapter eine erste Typzulassung als VCI (Vehicle Communication Interface) für die aktuelle Abgasmesstechnik angestrebt. Diskutiert wird ebenfalls, welche zusätzlichen Bedienelemente oder Schnittstellen verfügbar sein müssen. Der neue HU-Adapter wird auch wieder ein Display mitbringen, das aber hauptsächlich für den Support des Gerätes gedacht ist. Wichtiger für alle Beteiligten ist eine verbesserte intuitive Bedienbarkeit des Gerätes und das bei weiterhin reduzierten Bedienelementen wie beispielweise Folientaster. Obwohl es auch hier noch Diskussionsbedarf zwischen allen Beteiligten gibt, hoffen wir ebenfalls, dass der neue HU-Adapter ebenso wie die derzeitigen Geräte mit einem einheitlichen Design als Branchenlösung in der technischen Fahrzeugüberwachung wahrgenommen wird.
Aufgrund der möglichen künftigen Vielzahl von physischen Schnittstellen, auch beim Einsatz des HU-Adapters bei Krädern oder Nutzfahrzeugen, wird das neue Gerät nicht nur ein Adapterkabel zur 16-poligen OBD-Dose haben, sondern, wenn erforderlich, wird es auch ein Adapterkabel für die 6-polige OBD-Schnittstelle für Kräder geben. Für die Trailer, welche mit der genormten runden ISO-Schnittstelle (ISO 1185) zwischen Zugfahrzeug und Trailer ausgerüstet sind, werden wir demnächst einen eigenen zusätzlichen Adapter einsetzen: das von der FSD-zentralen Stelle entwickelte TruckTrailerInterface (TTI). Dieser Adapter ist dann für beide HU-Adapter Generationen als zusätzliches Peripheriegerät einsetzbar.
Alt und neu sind parallel nutzbar
Damit verknüpft ist auch eine wesentliche Grundaussage: Der neue HU-Adapter wird zwar langfristig die derzeitigen Geräte ablösen, aber es wird in den nächsten Jahren weiterhin möglich sein, beide HU-Adapter parallel zu nutzen. Beim Prüfdienstleister TÜV SÜD sind wir zuversichtlich, dass die neue Generation des HU-Adapters eine langfristige wesentliche Prüftechnologie für die PTI der Zukunft sein wird.
Herausforderungen für den neuen HU-Adapter:
Die Fahrzeuge werden immer komplexer und die zahlreichen elektronischen Systeme müssen künftig auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft werden. Der HU-Adapter als zentrales Prüf-Tool wird daher entsprechend weiterentwickelt, um zukunftsfähig zu sein.
Künftige Aufgaben könnten sein:
- Kompatibilität zu den neuen "Over-the-Air"-Fahrzeugschnittstellen (OTA)
- Überprüfung der Integrität der im Fahrzeug eingesetzten Software
- Überprüfen der verarbeiteten Daten, der Software-Infrastruktur und der Vernetzung innerhalb des Fahrzeugs
- Überprüfung der Kommunikation zu kooperierenden Systemen (Car to x)
- Erkennen von eventuellen Manipulationen, Funktionsausfällen oder ungewollten oder fehlerhaften Änderungen
Der Autor
Philip Puls ist Leiter Technische Prüfstelle für den Kfz-Verkehr in Bayern bei TÜV SÜD Auto Service GmbH.
- Ausgabe 09/2021 S.38 (118.7 KB, PDF)