Der Scheibentausch kann sich bei neuen Fahrzeugen schwierig gestalten, denn die Durchdringung mit Fahrer-Assistenzsystemen nimmt zu. Sollte es einmal zum Scheibentausch aufgrund eines Unfalls oder Steinschlags kommen, müssen diverse Kameras kalibriert werden, was je nach Automodell Herausforderungen birgt und entsprechendes Equipment und Know-how von der Werkstatt verlangt.
Mehr Funktionen in der Scheibe
Autoglasspezialist Carglass hat Ende Juni in das Forschungszentrum European Technology Center in München-Riem geladen. Dort erforscht das Belron-Unternehmen, wie sich künftig Windschutzscheiben tauschen und die Sensoren entsprechend kalibrieren lassen. Jean-Pierre Filippini, der Geschäftsführer von Carglass Deutschland, erklärte, welche Trends es im Autoglasgeschäft gibt. Die zunehmende Durchdringung mit Elektrofahrzeugen mache Reparaturen teurer und stelle höhere Anforderungen an die Werkstätten wie etwa eine Hochvoltausbildung und einen entsprechenden Hochvolt-Arbeitsplatz.
Aber auch der Austausch der Scheibe, speziell der Windschutzscheibe, gestalte sich zunehmend schwieriger. Einerseits nehmen die Sensoren in den Scheiben wie Kamerasysteme oder Regensensoren immer mehr zu, aber auch Head-up-Displays werden immer populärer und stellen besondere Anforderungen an die Scheibe. Damit solche Systeme auch bei Eis und Kälte funktionieren, werden wiederum mehr Heizsysteme in der Scheibe benötigt. Auch die Akustikdämmung nimmt bei modernen Scheiben einen immer größeren Stellenwert ein, gerade bei Elektroautos.
Carglass - So funktioniert der Scheibentausch
Bildergalerie- Ausgabe 7-8/2024 Seite 026 (1.8 MB, PDF)
Alle diese Entwicklungen führten laut Filippini zu einer immer größeren Modellflut an Scheiben für ein Fahrzeugmodell. Auch Herstellung, Lagerung und nicht zuletzt der Einbau der Scheiben würden dadurch aufwendiger und auch teurer, was sich am Ende in höheren Versicherungsprämien äußere. Um den Aufwand des Windschutzscheibentauschs zu verdeutlichen, zeigten die Carglass-Ingenieure den aufwendigen Tausch der Windschutzscheibe an einem Tesla Model 3 (siehe Bildergalerie), der ohne Sensorenkalibrierung zwei Stunden dauert.
Sieg für den IAM
Ein Thema der Carglass-Veranstaltung waren auch "Secure Gateways". Zusammen mit ATU hatte Carglass 2020 vor dem Landgericht Köln gegen Stellantis geklagt, da sich die notwendigen Daten zur Kalibrierung der Sensoren nach dem Scheibentausch über die OBD-Schnittstelle nur gegen Bezahlung und persönliche Registrierung des Mitarbeiters beim Herstellerportal abrufen lassen. Das Landgericht Köln hatte die Klage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergereicht, der 2023 schließlich im Sinne von Carglass und ATU entschied. Die Entscheidung wurde Mitte Mai 2024 nochmals vom Landesgericht Köln bestätigt.
Demnach dürfen Autohersteller den Zugang zu Fahrzeugdaten nicht beschränken und der Vorgang dürfe nicht von Bedingungen wie etwa einer Bezahlung abhängig gemacht werden, da diese den freien Wettbewerb behinderten. Secure Gateways könnten somit bald der Vergangenheit angehören.