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Neues Gewährleistungsrecht: Nur was vereinbart wurde, gilt

04.03.2022 11:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Das neue Gewährleistungsrecht hat unter anderem Auswirkungen auf den Gebrauchtwagenverkauf.
© Foto: bluedesign/stock.adobe.com

Die neuen Regelungen bringen es mit sich, dass AGB angepasst werden müssen. Wichtige Stichworte sind vorvertragliche Informationspflicht und Beweislastumkehr. Eine juristische Einordnung von der Kanzlei RAW Partner.

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Kurzfassung

Vieles, was ehemals über die allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt wurde, muss künftig in den individuellen Vertrag geschrieben werden. Grund sind die erhöhten Informations- und Formerfordernisse beim Verkauf.

Nach Umsetzung der EU-Warenverkaufs-Richtlinie ist das neue Kaufrecht am 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Dies bringt einiges an Anpassungsbedarf mit sich. Bisher wirksame allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) und alltägliche Verkaufsabläufe müssen nun an gesteigerte verbraucherschützende Normen angepasst werden. Und hoffentlich wurde das auch schon umgesetzt, wenn nicht, ist es höchste Zeit! Entscheidend ist, dass die Neuregelungen gegenüber dem Verbraucher gelten.

Der neue Sachmangelbegriff

Dreh- und Angelpunkt der Gewährleistungsrechte ist der Begriff des Mangels. Erst bei Vorliegen eines Mangels bei Gefahrübergang kann der Käufer Gewährleistungsrechte geltend machen. Bisher galt ein Vorrang der vereinbarten (subjektiven) Beschaffenheit, z. B. wurde vereinbart, dass ein gebrauchtes Fahrzeug mit repariertem Unfallschaden verkauft wird. Erst wenn keine Vereinbarung vorlag, wurde die gewöhnliche und übliche (objektive) Verwendung bzw. Beschaffenheit herangezogen, die bei anderen Sachen gleicher Art und Güte zu erwarten war.

Mit Umsetzung der Richtlinie erfährt der Sachmangelbegriff einen Gleichrang subjektiver als auch objektiver Anforderungen. Für eine Mangelfreiheit muss damit kumulativ nicht nur die vereinbarte Beschaffenheit (subjektive Anforderung) vorliegen, sondern auch mit objektiven Anforderungen in Einklang stehen. Der Verkäufer hat aber die Möglichkeit, durch eine sogenannte negative Beschaffenheitsvereinbarung, die er mit dem Verbraucher schließt, von den objektiven Anforderungen der Kaufsache abzuweichen.

Vorvertragliche Informationspflicht

Seit dem 1. Januar 2022 gelten umfangreiche vorvertragliche Informationspflichten, wenn der Unternehmer von gesetzlichen Bestimmungen abweichen möchte. So muss der Verbraucher u. a. vor Vertragsschluss informiert werden, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht (sog. negative Beschaffenheitsvereinbarung), die Verjährungsfrist beim Verkauf gebrauchter Sachen verkürzt wird, die gesetzliche Aktualisierungspflicht für die digitalen Elemente der Kaufsache oder digitale Produkte ausgeschlossen werden soll. Das Gesetz sieht zwar für die vorvertragliche Informationspflicht keine spezielle Form vor, aus Beweisgründen bietet es sich an, dass der Unternehmer die Erfüllung der gesetzlichen Informationspflichten schriftlich dokumentiert und vom Verbraucher unterschreiben lässt.

Schriftlich dokumentieren

Mit Einführung des Paragrafen 476 Abs. 1 BGB n. F. bedarf es erhöhter Informations- und Formerfordernisse gegenüber dem Verbraucher, wenn von den objektiven Anforderungen an die Kaufsache abgewichen werden soll. Den Unternehmer trifft eine vorvertragliche Pflicht, den Verbraucher individuell zu informieren. Eine Einbettung in die AGB ist mit dieser Auferlegung einer gesonderten und ausdrücklichen Vereinbarung nicht möglich. Neben der vorvertraglichen Information müssen die Abweichungen im Vertrag zudem ausdrücklich und gesondert vereinbart werden. Soll also beim Verkauf einer gebrauchten Ware, z. B. eines Kfz, von der objektiven Beschaffenheit negativ abgewichen werden, weil es sich bei dem verkauften Fahrzeug beispielsweise um ein vorgenutztes Fahrschulfahrzeug handelt, muss der Verbraucher über diesen Zustand (Vornutzung als Fahrschulfahrzeug) vorvertraglich hingewiesen werden; zusätzlich muss dieser Umstand separat im Vertrag festgehalten werden.

Verjährungsverkürzung

Weiterhin besteht die Möglichkeit, die gesetzliche Verjährungsfrist bei Gewährleistungsrechten von zwei Jahren bei gebrauchten Sachen auf ein Jahr zu verkürzen. Nach Paragraf 476 Abs. 2 BGB n. F. ist die Vereinbarung aber nur wirksam, wenn der Verbraucher vor seiner Vertragserklärung eigens in Kenntnis gesetzt und die Verkürzung ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde. Die in der Praxis vielfach verwendeten AGB sind daher nicht mehr ausreichend und bedürfen dringender Anpassung. Zudem muss die Vereinbarung der Verjährungsverkürzung noch ausdrücklich und gesondert im Vertrag erfolgen.

Sollten Sie Ihre AGB noch nicht angepasst haben, dann wird es jetzt höchste Zeit, da eine Verjährungsverkürzung der Gewährleistung auf ein Jahr bei gebrauchten Sachen durch AGB nicht mehr möglich ist. Sollten jetzt noch alte AGB verwendet werden, würde die Verjährungsverkürzung nicht greifen.

Aktualisierung digitaler Produkte

Nach dem Gesetz hat der Verkäufer nunmehr grundsätzlich die Pflicht, beim Verkauf von Waren mit digitalen Elementen oder digitalen Produkten an einen Verbraucher die erforderlichen Aktualisierungen bereitzustellen. Eine ausdrückliche Dauer der Aktualisierungspflicht ist gesetzlich nicht geregelt. Vielmehr ist Anknüpfungspunkt, was der Verbraucher unter Berücksichtigung der Art und des Zwecks der Ware nach Umstand und Art des Vertrags erwarten kann. Solange der Gesetzgeber oder die Rechtsprechung dahin gehend nicht nachjustiert, verbleibt es bei einer noch unbestimmten Verpflichtung. In der Gesetzesbegründung wird sich u. a. auf die Aussagen in Werbung, den verwendeten Materialien für die Kaufsache, die zu erwartende Lebensdauer ("life-cycle") und den Preis gestützt. Zu berücksichtigen ist, dass nur die Funktionsfähigkeit des Produkts erhalten, jedoch keine Verbesserung zur Verfügung gestellt werden muss. Eine Herausforderung ist die in der Praxis meist aufkommende unterschiedliche Identität von Verkäufer und Softwarehersteller. Verpflichtet sich jedoch der Verkäufer zur Bereitstellung des digitalen Produkts, so trifft grundsätzlich auch ihn die damit einhergehende Aktualisierungs- und Informationspflicht. Der Gesetzgeber kommt dem Verkäufer insoweit entgegen, als dass die Aktualisierungspflicht abdingbar ist und dem Verkäufer so Gestaltungsspielraum zukommt. Die Vereinbarung über den Ausschluss der Aktualisierungsflicht ist nur wirksam, wenn der Verbraucher vor seiner Vertragserklärung eigens in Kenntnis gesetzt und die Abweichung ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.

Herausforderung für Händler

Ansatzpunkt der Gewährleistungsrechte ist, dass ein Mangel bereits bei Übergabe vorlag und nicht erst später entstanden ist, z. B. durch unsachgemäße Nutzung durch den Käufer selbst. Für Verbraucher wird hierbei eine Vermutungsregelung aufgestellt. Die bisherige Dauer der Beweislastumkehr von sechs Monaten bei Verbrauchsgüterverkäufen wird seit dem 1. Januar 2022 auf ein Jahr erweitert - eine Herausforderung für die Händler.

Kommentar

Maximilian Appelt
Maximilian Appelt, Rechtsanwalt Steuerberater, www.raw-partner.de
© Foto: RAW

Das neue Gewährleistungsrecht stellt die größten Änderungen seit 20 Jahren innerhalb des Kaufrechts dar. Unternehmer habem nunmehr gesteigerte Informationspflichten gegenüber Verbrauchern. So müssen Verbraucher zweimal darauf hingewiesen werden, wenn der Unternehmer  von den gesetzlichen Regelungen abweichen will; einmal vor Vertragsschluss durch die vorvertragliche Informationspflicht und zusätzlich separat  innerhalb des Kaufvertrags. Leider hat die gesetzliche Umsetzung an einigen Stellen Unschärfen, sodass davon auszugehen ist, dass eine endgültige Klärung erst die Rechtsprechung herbeiführen wird. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.

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