-- Anzeige --

BGH: "Thermofenster" reicht nicht für Schadenersatz von Daimler

13.07.2021 09:16 Uhr | Lesezeit: 5 min
BGH: "Thermofenster" reicht nicht für Schadenersatz von Daimler
Der Bundesgerichtshof hat über das so genannte Thermofenster bei Daimler geurteilt. Nach Ansicht der Richter haben Autobesitzer wegen der Vorrichtung keinen Anspruch auf Schadenersatz.
© Foto: picture alliance/Uli Deck/dpa

Die Diesel-Musterklage der Verbraucherzentralen rückt den Autobauer Daimler in den Fokus. Viele Tausend Klägerinnen und Kläger haben schon auf eigene Faust versucht, Schadenersatz zu erstreiten. Jetzt muss genauer untersucht werden, ob es wirklich Manipulationen gab.

-- Anzeige --

Diesel-Kläger, die allein wegen des sogenannten Thermofensters Schadenersatz von Daimler fordern, dürften in vielen Fällen leer ausgehen. Bei ihrer ersten Urteilsverkündung in einem "Thermofenster"-Verfahren bekräftigten die Richterinnen und Richter des Bundesgerichtshofs (BGH) am Dienstag, dass sie den Einsatz der Technik nicht für sittenwidrig halten. Gleichzeitig pochten sie darauf, dass anderen Manipulationsvorwürfen des Klägers gegen den Stuttgarter Autobauer auf den Grund gegangen wird. (Az. VI ZR 128/20)

Das "Thermofenster", das auch von anderen Herstellern standardmäßig eingesetzt wurde, spielt bei der Abgasreinigung eine Rolle. Damit die Diesel-Autos weniger giftige Stickoxide ausstoßen, wird ein Teil der Abgase im Motor direkt wieder verbrannt. Wenn es draußen kühler ist, bleiben durch das Thermofenster weniger Abgase im Auto. Die Hersteller sagen, das sei notwendig, um den Motor zu schützen. Die Kläger sehen darin eine unzulässige Abschalteinrichtung - wie bei VW.

Volkswagen hatte in Millionen Diesel-Autos heimlich eine Betrugssoftware eingesetzt, die in Behördentests verschleierte, dass eigentlich zu viele Schadstoffe ausgestoßen wurden.

Daimler-Thermofenster arbeitet immer gleich 

Für die obersten Zivilrichterinnen und -richter des BGH liegt hier aber der Hauptunterschied zum Daimler-Thermofenster: Es gebe eben keine Software, die in einen anderen Modus schalte, wenn das Auto auf dem Prüfstand stehe, sagte der Senatsvorsitzende Stephan Seiters in Karlsruhe. Das Thermofenster arbeitet also immer gleich, ob auf der Straße oder im Test. Sein Einsatz allein reicht folglich nicht aus, um Schadenersatz-Pflichten auszulösen. Dazu bräuchte es Hinweise auf ein "besonders verwerfliches Verhalten" bei Daimler-Verantwortlichen. "Dies ist im Streitfall nicht festgestellt", entschied der BGH.

Ganz ähnlich hatte sich Seiters' Senat im Januar schon einmal schriftlich geäußert. Jetzt war erstmals ein Fall verhandelt worden. Daimler begrüßte die Entscheidung und teilte mit, sie habe "Leitcharakter für Tausende von Gerichtsverfahren in Deutschland".

Allerdings ist der Fall noch nicht abgeschlossen. Denn der Kläger hatte Daimler außerdem unterstellt, etliche andere unzulässige Vorrichtungen zur Abgasmanipulation zu verwenden. Unter anderem steht der Vorwurf im Raum, im Kühlmittelsystem habe es eine Funktion gegeben, die dazu diene, die Stickoxid-Werte in Behördentests unter das eigentliche Niveau im normalen Straßenverkehr zu drücken.

OLG muss erneut urteilen 

Dies komme "als Anknüpfungspunkt sittenwidrigen Verhaltens in Betracht" und hätte in der Vorinstanz am Oberlandesgericht (OLG) Koblenz geprüft werden müssen, sagte Seiters. Der Kläger habe seinen Vorwurf auf vier Medienberichte gestützt. Mehr sei von ihm nicht zu verlangen, technische Einzelheiten könnten nicht erwartet werden. Das OLG muss sich nun noch einmal damit befassen und, falls dies nötig sein sollte, ein Sachverständigengutachten in Auftrag geben.

Daimler teilte mit, man gehe "davon aus, dass das OLG auch nach erneuter Befassung die Klage weiterhin abweisen wird". Bisher hätten die Land- und Oberlandesgerichte in den Dieselverfahren in rund 95 Prozent der Fälle zugunsten des Unternehmens entschieden.

Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer, die für die Verbraucherzentralen derzeit eine Musterfeststellungsklage gegen Daimler vorbereitet, wertete das Urteil hingegen als "deutlichen Erfolg für die Verbraucher". Es gehe schon lange nicht mehr nur um das Thermofenster. Auch die Kanzlei Goldenstein, die Tausende Diesel-Kläger vertritt, sprach von einer "Signalwirkung". Bislang seien die Gerichte Anschuldigungen nicht ausreichend nachgegangen.

Überprüfung weiterer Vorrichtungen

Die Verbraucherzentralen wollen gerichtlich feststellen lassen, dass Daimler neben dem Thermofenster noch andere Vorrichtungen eingesetzt habe, die tatsächlich die Behörden hinters Licht führen sollten. Dabei geht es auch um das Kühlmittelsystem. Allerdings konzentriert sich die Klage auf deutschlandweit knapp 50.000 Autos der Sportgeländewagen-Baureihen GLC und GLK mit dem Motortyp OM 651, für die das Kraftfahrt-Bundesamt Rückrufe angeordnet hatte.

Die C-Klasse des Klägers hat zwar auch so einen Motor, gehört aber nicht zu den Modellen, die im Musterverfahren unter die Lupe genommen werden sollen. Sie war nach BGH-Angaben auch nicht von einem amtlichen Rückruf betroffen. Der Mann hatte das Auto 2012 für rund 35.000 Euro neu gekauft. Er will erreichen, dass Daimler ihm - abzüglich der gefahrenen Kilometer - den Kaufpreis erstatten muss.

-- Anzeige --
-- Anzeige --

HASHTAG


#Abgas-Skandal

-- Anzeige --

Mehr zum Thema


#Mercedes-Benz

-- Anzeige --

MEISTGELESEN


-- Anzeige --

STELLENANGEBOTE


-- Anzeige --

KOMMENTARE


SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


asp AUTO SERVICE PRAXIS Online ist der Internetdienst für den Werkstattprofi. Neben tagesaktuellen Nachrichten mit besonderem Fokus auf die Bereiche Werkstatttechnik und Aftersales enthält die Seite eine Datenbank zum Thema RÜCKRUFE. Im neuen Bereich AUTOMOBILE bekommt der Werkstatt-Profi einen Überblick über die wichtigsten Automarken und Automodelle mit allen Nachrichten, Bildergalerien, Videos sowie Rückruf- und Serviceaktionen. Unter #HASHTAG sind alle wichtigen Artikel, Bilder und Videos zu einem Themenspecial zusammengefasst. Außerdem gibt es im asp-Onlineportal alle Heftartikel gratis abrufbar inklusive E-PAPER. Ergänzt wird das Online-Angebot um Techniktipps, Rechtsthemen und Betriebspraxis für die Werkstattentscheider. Ein kostenloser NEWSLETTER fasst werktäglich die aktuellen Branchen-Geschehnisse zusammen. Das richtige Fachpersonal finden Entscheider auf autojob.de, dem Jobportal von AUTOHAUS, asp AUTO SERVICE PRAXIS und Autoflotte.