Von Wolfram Nickel/SP-X
Ein bezahlbarer Traumsportwagen mit Kultstatus für die Ewigkeit: Vor 50 Jahren verdankte der spektakulär gezeichnete Opel GT seinen Serienstart den französischen Karossiers Chausson und Brissoneau & Lotz. Eine Kooperation, die den Kapazitätsengpass in den damals noch voll ausgelasteten deutschen Opel-Werken löste.
"Pilot müsste man sein... Commander. Im Opel GT sind Sie es. Bitte anschnallen!" Mit solchen Worten weckte die Opel-Werbung pure Emotionen. Unter dem Slogan "Nur Fliegen ist schöner" startete das zweisitzige Klappscheinwerfer-Coupé 1968 zu einem fünfjährigen Höhenflug als zeitweise meistverkaufter Sportwagen Deutschlands und als begehrte Mini-Corvette in den USA. Tatsächlich imitierte der Opel das charakteristische Coke-Bottle-Design der Corvette, transferierte die aufregenden Rundungen allerdings ebenso wie das technische Konzept in europäisches Format. So basierte der Opel GT auf kostengünstiger Großserientechnik, geliefert vom Kadett B. Auch die karge 44 kW / 60 PS-Motorisierung im GT 1100 stammte aus dem kleinsten Opel. Dagegen spendete der Mittelklasse-Bestseller Rekord C sein 66 kW / 90 PS starkes Herzstück dem GT 1900, der damals mit fast 190 km/h Höchstgeschwindigkeit Gänsehaut garantierte. Schließlich genügte dieses Tempo für die Jagd auf Porsche 912 und manch doppelt so starke V8-Limousine. Noch schärfer waren die bis 275 km/h schnellen Opel GT der Tuner-Szene, die im Tourenwagen-Trimm von Conrero, Gerent oder Irmscher als Helden von Targa Florio und Nürburgring gefeiert wurden.
Erster Auftritt wie ein Donnerhall
Begonnen hatte die Karriere des revolutionären Opel-Racers bereits 1965 – als erstes reines Showcar eines deutschen Automobilherstellers. Auf der Frankfurter IAA feierte der Opel Experimental GT seine Weltpremiere und es wurde ein Auftritt wie Donnerhall. Niemand hatte der betulich-bürgerlichen Marke Opel zugetraut, ein Designkunstwerk auf die Räder zu stellen, um das sich die Massen dichter drängten als um den gleichfalls neuen Porsche 911 Targa. Der Applaus war atemberaubend – ebenso wie die perfekt wirkenden Proportionen der muskulösen Fahrmaschine mit messerscharfer Front. Opel-Designer Erhard Schnell hatte das richtige Gespür bewiesen, als er, zunächst ohne Wissen seiner Vorgesetzten, eine ultraflache Sportwagenstudie entwickelte, die eigentlich nie für eine Serienfertigung gedacht war. Dass es drei Jahre später anders kam, verdankte der Experimental GT den begeisterten Reaktionen von Presse und Publikum, vor allem aber dem plötzlichen Streben nach Sportlichkeit bei allen Massenherstellern.
Ford setzte auf RS-Coupés und bereitete den Capri vor, Peugeot präsentierte Coupés in jeder Modelllinie, Fiat lieferte Spider und Coupés zum kleinen Preis, das VW-Signet sollte auf dem Porsche 914 prangen und die Opel-Händler freuten sich bereits über Rallye Kadett oder Rekord Sprint in den Schauräumen: Schnelle Autos waren Statussymbole in der Wohlstands- und Leistungsgesellschaft der späten 1960er Jahre. Den schärfsten Pfeil im Köcher hatte nun Opel, denn der GT schoss die Massenmarke auf Augenhöhe mit Alfa Romeo, Triumph oder Vierzylinder-Porsche. Dazu setzte der lediglich 845 Kilogramm schwere Opel konsequent auf Leichtbau, verzichtete im Unterschied zur etablierten Konkurrenz auf Notsitze im Fond und sogar auf einen separaten Kofferraum. Für das leichte Gepäck musste eine von innen zugängliche Ablage genügen, was allerdings kaum jemanden wirklich störte.
Fahrwerks-Optimierung auf dem Nürburgring
Stattdessen beeindruckte der GT durch überraschend gute Fahrleistungen und sein Frontmittelmotorkonzept zugunsten eines tief liegenden Fahrzeugschwerpunkts. Wie damals sonst fast nur bei Rennwagen üblich, absolvierte der Opel GT ein Fahrwerks-Feintuning auf dem Nürburgring. Ein Aufwand, der lohnte: Zugunsten besserer Handlingeigenschaften wurde das GT-Triebwerk um 30 Zentimeter nach hinten versetzt. Derart optimiert wurde der 1,22 Meter flache Rüsselsheimer Renner mit kultigen Klappscheinwerfern vorn und kreisrunden Leuchten am windschnittigen Abrissheck durch einen beispiellosen Premieren-Marathon geschickt, der bis Ende 1968 dauerte.
Zum Auftakt jagten Fachmedien mit dem 4,11 Meter langen Vorzeigesportler über den Hockenheimring, wo der GT 1900 mit beispielhaften Rundenzeiten beeindruckte. Verschmäht wurde dagegen der phlegmatische GT 1100, den Opel nach nur zwei Jahren und minimalistischen 3.573 Einheiten aussortierte und durch den GT/J mit mattschwarzen Zierelementen und 66 kW / 90 PS ersetzte.
Dicke Auftragsbücher
Die eigentliche Erfolgsstory des über 100.000 Mal verkauften GT 1900 startete auf der Deutschen Industrie-Ausstellung in Berlin. Nicht wenige Besucher dieser Branchenmesse reisten eigens an, um "Deutschlands preisgünstigsten Sportzweisitzer", wie Opel den GT bewarb, endlich hautnah zu erleben. Tatsächlich erlaubten die weit in das Dach hineingezogenen Türen sogar Großgewachsenen ein überraschend bequemes Entern der Schalensitze – eine Erfahrung, die auch die Premierengäste auf dem Pariser Salon und der Designmesse in Turin begeisterte. Die Auftragsbücher der Opel-Händler wurden dicker als die Produktionskapazitäten bei den französischen Karossiers und im Werk Bochum, wo Fahrwerk und Motor montiert wurden. Zumal ab Anfang 1969 auch die Amerikaner versorgt werden wollten. Unglaubliche 60 Prozent der Produktion gingen in das Land der Fullsize-V8, wo Buick den flächendeckenden Vertrieb des deutschen Vierzylinders übernahm.
Es brauchte nicht viel, um den GT im Gespräch zu halten, zumal Opel stets aufs Neue provozierte durch freche Werbebotschaften wie "Es gibt wieder Autos." und "Diesen Wagen würde jeder bauen. Wenn er könnte". Als aber Ford 1969 den Capri zeigte, lebten die Rüsselsheimer den Zeitgeist des Summer of Sixty Nine mit einem sonnendurchfluteten Concept Car in Pop-Art-Farben: Der orangerote Aero GT mit Targabügel machte Hoffnung auf eine Serienfertigung. "Heute Experimental-Modell … morgen Serien-Automobil?", fragte das Opel-Marketing. "Ja", riefen die Opel-Fans einmal mehr, denn der neue VW-Porsche 914 faszinierte ebenfalls mit einem Targadach. Aber diesmal sollte es nicht sein, Opel scheute die Produktionskosten und beließ es bei zwei Prototypen. Eine weitsichtige Entscheidung. Nur ein Jahr später wurde der französische Staat Mehrheitsaktionär bei Brissoneau & Lotz, was 1973 zur Kündigung des Liefervertrags an Opel führte. Damit war das Ende der GT-Story besiegelt, zumal gleichzeitig die Produktion des Techniklieferanten Kadett B endete.
Der Geist des GT aber lebt weiter, getragen von einer leidenschaftlichen Clubszene und immer neuen Concept Cars. Auch wenn Studien wie der 1975 gezeigte futuristische GT2 und der spektakuläre Opel GT aus dem Jahr 2016 zum Kummer aller Opel-Fans in den Asservatenkammern verschwanden, die Hoffnung auf eine Wiederkehr geben sie nicht auf.