Ja, Verbrenner sind bäh. Alle fahren ja mittlerweile elektrisch. Alles wird grün und jeder von uns ist ein Vorzeige-Öko. So in etwa fühlt es sich derzeit an und man hat nicht nur Flugscham, Fleischscham, Meinungsscham und schämt sich generell für alles und jeden –, eben auch für die Wahl des falschen Autos. Denn mit den "richtigen" Pkw kann man ja die Welt retten.
Nicht falsch verstehen: Elektroautos sind – richtig genutzt – in jedem Fall die weniger umweltschädlichen Automobile und für die meisten Strecken die besseren Fahrzeuge. Doch –, und das bleibt bei Fakt: Jedes neue Produkt belastet die Umwelt und ist per se nicht umweltfreundlich – auch Elektroautos nicht. So ist es sinnvoller, einen Verbrenner bis zum technischen Exitus zu fahren, als im Zwei-Jahres-Leasing-Rhythmus sein E-Auto durchzuwechseln, weil angeblich die Technologiesprünge so groß sind, das neue Modell mehr Reichweite bietet oder was auch immer als letztendlich fingierter Beweggrund herangezogen wird.
Formentor VZ5: Alles nur Öko-Getue?
Also lassen wir heute mal das Öko-Getue. Denn wenn wir wirklich öko wären, würden wir Folgendes machen: gebrauchte Produkte kaufen (also Autos, Kleidung, Möbel etc.), ausschließlich im Bioladen einkaufen und dort regionale Produkte bevorzugen. Wir würden im Privatleben auf Urlaubsflüge komplett verzichten, hätten seit Jahrzehnten Ökostrom (von genossenschaftlichen Energieversorgern) in der Wohnung (denn Haus und Hausbau sind Überfluss und damit auch bäh) und wir wären Vegetarier oder besser: Veganer. Wir wären außerdem Kunde bei einer der fünf Banken, die nach strengen Kriterien als nachhaltig gelten. Wir hätten keine Aktien, Fonds oder ETF, die in Rüstung (also Krieg), fossile (und atomare Energieträger, Nahrungsmittel (generell), Bauprojekte (Beton ist mega-bäh) etc. investieren. Wir würden Blackrock, Vanguard und State Street als die vielleicht schlimmsten Unternehmen unserer Zeit erkennen können, ebenso wie Nestlé, Coca-Cola, Danone, Unilever, Mondelez usw. Die Liste könnte sehr lang weitergeführt werden und, ach du Schreck, letztendlich sogar den Blick auf Haustiere und die eigenen Kinder lenken – denn auch das sind riesige Pakete im eigenen CO2-Rucksack. Schön, dass jeder von uns seinen Teil dazu beiträgt – in welcher Art und Weise und in welcher Intensität auch immer.
Fokussieren wir uns heute auf ein Automobil, das seit Markteinführung im Jahr 2020 fast 70.000 mal zugelassen wurde – allein in Deutschland. Es geht um den Cupra Formentor, wie unschwer zu erkennen. Unschwer zu erkennen ist auch, wie wichtig Deutschland für die Marke Cupra ist. Kurz: Deutschland ist der wichtigste Markt für die Seat-Schwestermarke.
Cupra Formentor VZ5 (2023)
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Der Formentor war der erste originäre Cupra überhaupt. Ihn gibt es als Diesel, als Plug-in-Hybrid und als klassischen Benziner. Die Bandbreite reicht von für den Flotteneinsatz sinnvollen 150 PS (als TDI und TSI) bis hin zu 390 PS. Letztere ist eine Leistungsklasse, die als Firmenwagen eher in Unternehmensberatungen en vogue ist, die aber auch Unternehmensführer durchaus gern nutzen – übrigens auch bei Elektrofahrzeugen. Dass 400 PS totaler Überfluss sind, steht außer Frage – auch im E-Auto, oder dort noch viel mehr. Dass jedoch einige Firmenlenker vielleicht von einem 120.000-Euro-400-PS-Fahrzeug auf den rund 50.000 Euro günstigeren (Bruttowerte) Cupra Formentor VZ5 umsteigen könnten, ist – gerade in Deutschland – nicht ganz abwegig. Und umsteigen heißt nicht zwangsläufig absteigen.
Oftmals ist es das Besondere, das reizt. Im Fall des Cupra Formentor VZ5 ist das der herzerweichende 2,5-Liter-Direkteinspritzer. Ein Fünfzylinder. Nicht nur, dass es mittlerweile bei den etablierten Herstellern kaum mehr reine Verbrenner mit viel Leistung gibt (alles wird hybridisiert). Es gibt vor allem keine Fünfzylinder mehr. Bei Audi hatte und hat der Fünfzylinder Tradition und wird nach wie vor gefeiert und die Fangemeinde von Audi S2 und Audi RS2 wird kaum kleiner. Auch bei VW gab es die ungewöhnliche Zylinderanzahl, beispielsweise im Beetle, im Bora und im Golf 4 – allerdings endete der Spaß dort bei 170 PS und es war eher der Klang, der die Autos emotional machte. Und die Schweden hatten Fünfender im Programm. Volvo-Fünfzylinder, egal ob Diesel oder Benziner, sind legendär und der Volvo 850 T5(-R) ist eine Ikone.
Cupra Formentor VZ5 mit Fünfzylinder
Und heute so? Downsizing in Form von weniger Hubraum und weniger Zylinder bei mehr Leistung gepaart mit E-Punch. Ja, vorwärts geht auch das, doch Emotionen bleiben meist auf der Strecke. Gewöhnen wir uns dran. So gibt es auch keine wirklichen Alternativen zum Cupra Formentor VZ5. Am ehesten käme ein Mercedes GLA 35 AMG mit 320 PS und nichtssagendem Vierzylinder infrage. Bei BMW vielleicht noch der X2 M35i für ein paar Euro weniger. Bei Jaguar und Range Rover gibt es keine Performance-Modelle in der Leistungs- und Preisklasse und auch sonst ist es in dem Segment still geworden.
Cupra hat sich den Fünfzylinder von Audi besorgt, dort gibt es ihn noch in den kompakten RS-Modellen. Anfangs als limitierte Edition, kam die Produktion der Nachfrage nicht hinterher – auch bei Audi nicht. Es gibt also trotz allem Öko-Getue noch Autobegeisterte im (ehemaligen) Autoland. VZ5 bedeutet übrigens „veloz5“. Fragezeichen? Veloz bedeutet schnell und fünf, klar… Beim Formentor gibt es noch drei weitere VZ-Modelle, mit Hybrid und ohne. Unser VZ ist nun der VZigste Cupra ever. Und wird es mit Sicherheit auch bleiben – zumindest mit Verbrennungsmotor im langen Bug.
Steigen wir endlich ein. Was sofort auffällt: Der Formentor stammt vom Leon ab. Schalter sucht man vergebens. Manchmal auch die Funktionen, die ehemals auf Knopfdruck erledigt wurden. Die meisten Dinge lassen sich übers 12-Zoll-Display steuern oder mit einem der 19 Schalter, Tasten und Rollen am Lenkrad.
Motorstart und Abstellen gelingen durch die kreisrunde Taste rechts unten am Lenkrad. Das heißt, sie befindet sich nicht immer dort – je nach Lenkradstellung auch mal rechts oben, links drüber, unten daneben oder sonst irgendwo. Gewöhnungsbedürftig. Die Materialauswahl ist Kompaktklasse-typisch gut. Beim VZ5 hätte man angesichts des Preises vielleicht etwas mehr erwarten dürfen. Doch letztendlich wird sich niemand über Hartplastikteile oder kratzunempfindlichen Kunststoff stören – denn es ist schön eingerichtet und es wird weitgehend auf schwarz glänzendes Plastik (aka Klavierlack) verzichtet. Hier und da könnte man aber gehofft haben, dass beim VZ5, der eben rund 70.000 Euro kostet, eine Schippe daraufgelegt wurde.
Kein Leisetreter – optisch wie akustisch
Unauffällig ist der VZ5 in keiner der drei Lackierungen (Schwarz, Mattgrau, Mattblau, oder so ähnlich). Die brachiale Vierrohr-Abgasanlage fällt ebenso auf wie die fette Sechskolben-Akebono-Bremsanlage mit 375er-Scheiben vorn, die anstelle der 370er-Brembo (beim VZ 4Drive gegen Aufpreis erhältlich) verwendet wird und die durch die exklusiv für den VZ5 erhältlichen 20-Zoll-Räder lugt.
Erstaunlich auch, wie harmonisch sich diese Kombination bewegen lässt. Das adaptive Fahrwerk (Serie) bügelt Unebenheiten in der maximalen Komfortstellung souverän weg und auf der anderen Seite kleben die 255er-Hankook-Ventus-Pneus zuverlässig auf dem Asphalt. Wer es darauf anlegt, kann im Fahrprofil-Menü den Allradantrieb sogar etwas anpassen, anders als bei den zivileren Varianten. Das Haldex-Prinzip wird zwar auch hier angewendet, aber die Scheibenkupplungen bekommen noch Unterstützung in Form eines Torque-Splitter-Systems an der Hinterachse. Bedeutet übersetzt: Kraft kommt je nach Bedarf auch einzeln am Hinterrad an. Mal mehr, mal weniger, immer gut für saubere Drifts. Totaler Schwachsinn? Ja, macht aber total Spaß.
Zurück zum Startknopf: Daumen hoch für diesen und drauf auf die Taste. Vorn springen die fünf Kolben im ungewöhnlichen Takt (die Zündfolge ist besonders), hinten kommt ein Sound raus, der Wiedererkennungswert besitzt und sich vom „AMG-Geprolle“ klar abgrenzt. Ein Lesetreter ist jedoch auch der VZ5 nicht. Ob das schön ist? Geschmacksache. Menschen mit „Benzin im Blut“ werden sich sicherlich das eine oder andere Grinsen nicht verkneifen können. Andere werden genervt sein – zweifelsohne. Schön, wenn Geschmäcker noch verschieden sind und nicht alle uniform reagieren.
Also D der Siebengang-Doppelkupplung (DKG) aktivieren und 480 Newtonmeter loslassen – zumindest ab 2.250 Touren. Man merkt, dass der VZ5 vor Kraft kaum rollen kann. Die Kupplung packt spürbar zu, manch einer würde es ruppig nennen. Sanftes Einschleifen in die Gänge ist ein Fremdwort, hier wird hart geschaltet. Je nach Fahrmodus wird auch das DKG nervöser und manches Mal auch übernervös. Hier können die Schaltflügel am Lenkrad helfen. Das Spurtvermögen – von 0 auf 100 in 4,2 Sekunden – glauben wir gern. Macht aber niemand. Beeindruckender sind die Zwischenspurts. Okay, wer ein einigermaßen potentes E-Auto wie beispielsweise den Polestar 2 mit ähnlicher Leistung gefahren ist, kann darüber nur müde lächeln. Doch dem knapp 1.700 Kilogramm schweren Formentor geht halt nicht so schnell die Luft aus – weder auf der Autobahn noch auf der Rennstrecke.
Am 14. September: Autoflotte Fuhrpark-Tag auf dem Bilster Berg, auch mit dem VZ5
Apropos Rennstrecke: Wir suchen noch ein paar Damen und Herren mit Fuhrparkverantwortung, die Lust haben, am 14. September 2023 auf dem Bilster Berg ein paar Runden im Cupra Formentor VZ5 und anderen Cupra-Modellen zu drehen. Ein informativer Theorieteil zu Themen rund ums Fahrparkmanagement ist beim Autoflotte Fuhrpark-Tag obligatorisch. Alle Infos gibt es hier: autoflotte.de/bilster-berg