Seit Jahren wächst der Ärger insbesondere bei Kfz-Unternehmen über den Abmahnungsmissbrauch. Die gegenwärtige Rechtslage ermöglicht Vereinen wie der Deutschen Umwelthilfe und spezialisierten Anwaltskanzleien hohe Einnahmen, während das ursprüngliche Ziel – der Erhalt eines fairen Wettbewerbs – in den Hintergrund rückt. Dem will die Bundesregierung nun mit einem neuen Gesetz ein Riegel vorschieben.
Beim Autorechtstag 2019 am vergangenen Montag und Dienstag auf dem Petersberg stellte Rechtsanwalt Rolf Becker die maßgeblichen Änderungen des Gesetzesentwurfs vor. Gewinnorientierte Abmahnvereine sollen es künftig schwerer haben, Ansprüche durchzusetzen. Laut Becker sollen etwa finanzielle Anreize verringert werden, höhere inhaltliche Anforderungen an Abmahnungen gestellt und ein eigener Missbrauchs-Paragraph geschaffen werden. Neben den Vorteilen sehe er allerdings auch die Gefahr, dass das Instrument der Abmahnung in seiner beabsichtigten Wirkung geschwächt werde, sagte Becker.
Einen Schwerpunkt des Fachforums bildete auch in diesem Jahr der Themenkomplex Abgas-Skandal/Diesel-Debatte/Fahrverbote. BVfK-Syndikusanwalt Ulrich Küppers beleuchtete die Autofahrer verunsichernde Gesamtsituation bezüglich der individuellen Mobilität. Mit Blick auf die weitere Entwicklung von Diesel-Fahrverboten zeigte sich Küppers eher pessimistisch. Gleichzeitig forderte er eine Optimierung der Messmethoden zur Ermittlung von Abgaswerten.
Die Klagewelle rollt
"Wohin fährt der Diesel?" – dieser Frage ging ADAC-Syndikusanwalt Alexander Sievers nach. Dem Auditorium lieferte er aktuelle Zahlen zur Entwicklung der "Diesel-Rechtsprechung". In Bezug auf VW gebe es mehr als 50.000 Gerichtsverfahren, von denen erst 14.000 abgeschlossen seien. Unter Einbeziehung der noch nicht gerichtsanhängigen Verfahren seien derzeit mindestens 150.000 rechtliche Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Dieselskandal bekannt. Laut Sievers machen viele Gerichte "kurzen Prozess", statt Ursachenforschung und Aufklärung zu betreiben. Die Bilanz der bisher rechtskräftig ergangenen Urteile sei im Verhältnis Hersteller/Händler zu klagenden Autobesitzern nahezu ausgewogen und "damit ebenso uneinheitlich wie widersprüchlich", betonte der Experte.
In der Podiumsdiskussion "Wege aus der Dieselkrise" diskutierten Vertreter der Automobil- und Verbraucherverbände, der Hersteller sowie der Rechtswissenschaft ihre jeweiligen Standpunkte und Forderungen. Dabei trat die Vielschichtigkeit des Problems in aller Deutlichkeit hervor. Während Ford-Manager Wulf-Peter Schmidt als Repräsentant der Industrie um verloren gegangenes Vertrauen warb, wurde klar, dass eine der Ursachen der Probleme in den zu früh zu weit abgesenkten Grenzwerten bestand. Ansgar Klein, geschäftsführender Vorstand des BVfK, unterstrich: "Man hätte in Brüssel weniger Energie in die 'Öffnung des Thermofensters' und mehr in die Diskussion um realisierbare Grenzwerte stecken müssen."
Christoph Eggert, Vors. Richter am OLG Düsseldorf a.D., ging auf die Konsequenzen ein, die sich aus dem viel beachteten Hinweisbeschluss des Bundesgerichtshof (BGH) vom 8. Januar 2019 auf die laufenden Direkt-, Muster- und sonstigen Kundenklagen gegen VW und andere Hersteller wie auch den Handel ergeben. Seiner Ansicht nach sind die Auswirkungen des Beschlusses in Bezug auf das Vorliegen eines Sachmangels aber überschaubar. "Zwar wählt der BGH einen ungewöhnlichen Begründungsansatz, eine unzulässige Abschalteinrichtungen bleibt jedoch so oder so ein Mangel", so Eggert. Unter den Teilnehmern entbrannte anschließend eine rege Diskussion, insbesondere auch hinsichtlich der Frage der Ersatzlieferung.
Der Deutsche Autorechtstag von ADAC, BVfK und ZDK fand in diesem Jahr zum zwölften Mal statt. Weitere Themen waren aktuelle Raserfälle, die fiktive Abrechnung, die Zulässigkeit von Dashcam-Videoaufnahmen, die EU-seitig geplante Schuldrechtsreform sowie die jüngst eingeführte Geschwindigkeitsüberwachung ("Section Control"). (AH)