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Diesel-Skandal ohne Ende: Was den Fall Daimler von VW unterscheidet - eine Übersicht

08.07.2021 08:00 Uhr | Lesezeit: 6 min
Diesel-Skandal ohne Ende: Was den Fall Daimler von VW unterscheidet - eine Übersicht
Mit einer besonderen Klage wollen Verbraucherschützer Tausenden Mercedes-Kunden im seit Jahren schwelenden Diesel-Skandal helfen.
© Foto: picture alliance / AA / Andreas Gebert

Bei der Dieselaffäre denken die meisten zuerst an VW. Doch auch gegen Daimler zogen und ziehen Tausende Autobesitzer vor Gericht. Hier liegen die Dinge allerdings anders.

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Mit einer besonderen Klage wollen Verbraucherschützer Tausenden Mercedes-Kunden im seit Jahren schwelenden Diesel-Skandal helfen. Das Gericht soll klären, ob der Autobauer Daimler bewusst unzulässige Abschalteinrichtungen in seine Autos eingebaut hat und so dafür sorgte, dass sie umweltfreundlicher wirkten, als sie wirklich sind. Am Ende könnte Schadenersatz dabei herausspringen, doch der Weg dahin ist kompliziert. Eine Übersicht.

Was ist das für eine Klage?

Die Musterfeststellungsklage ist eine Art "Einer-für-alle"-Klage: Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zieht stellvertretend für Tausende Autobesitzer vor Gericht - mit weniger Aufwand und Risiko für den Einzelnen. Die Dieselfahrer können sich dieser Klage anschließen, indem sie sich beim Bundesamt für Justiz kostenlos in ein Klageregister eintragen. Dadurch wird auch verhindert, dass die Fälle zu Jahresende verjähren. Wenn die Verhandlung einmal begonnen hat, kann man nicht mehr einsteigen.

Können alle Diesel-Kunden von Daimler mitmachen?

Nein, zumindest erst mal nicht. Die Klage umfasst nur bestimmte Mercedes-Modelle der GLC- und GLK-Reihe mit dem Motortyp OM 651, für die es einen amtlichen Rückruf gab. Konkret sind das Folgende: GLC 220 d 4Matic, GLC 250 d 4Matic, GLK 200 CDI, GLK 220 CDI, GLK 220 CDI 4Matic, GLK 220 BlueTec und GLK 250 BlueTec. Auch wer sein Auto inzwischen verkauft hat oder verschrotten ließ, kann mitmachen. Wer sein Auto gebraucht gekauft hat, kann sich nur beteiligen, wenn das angeordnete Software-Update beim Kauf noch nicht aufgespielt war.

Was kann dabei überhaupt rauskommen?

Letztlich geht es um Schadenersatz für die Autobesitzer - allerdings mit Zwischenschritten. Zunächst soll entschieden werden, ob Daimler überhaupt sittenwidrig und vorsätzlich gehandelt hat. Das Gericht soll auch feststellen, in welchen Autos welche Abschalteinrichtungen verbaut sind. Dabei geht es zum Beispiel um die Einspritzung von Adblue-Harnstofflösung, um die Abgasrückführung und die Temperaturregelung für das Kühlwasser. Würde den Kunden ein Recht auf Schadenersatz zugesprochen, müssten sie dieses dann aber selbst durchsetzen. Sie können also nicht mit dem Urteil zum Autohändler gehen und Geld zurückverlangen, sondern müssen vor Gericht. Bequemer wäre ein Vergleich zwischen Daimler und dem vzbv. Dafür zeigten sich die Verbraucherschützer bewusst offen.

Welche Vor- und Nachteile hat ein Dieselkunde, wenn er sich anschließt?

Die Klage soll verhindern, dass Ansprüche der Kunden Ende des Jahres verjähren. So können die Dieselfahrer in Ruhe das Urteil abwarten und dann entscheiden, wie es weitergeht. Der Richterspruch kann Folge-Verfahren deutlich vereinfachen, weil Grundsatzfragen schon einmal geklärt sind. Das Prozesskostenrisiko trägt allein der vzbv. Bei einem Vergleich würde wahrscheinlich direkt Geld für die Beteiligten rausspringen. Wenn die Verbraucherzentralen allerdings verlieren, sind alle, die im Klageregister stehen, an diese Entscheidung gebunden. Sie können also nicht mehr vor anderen Gerichten auf Schadenersatz klagen.

Handelt es sich um die erste Musterfeststellungsklage gegen einen Autobauer im Diesel-Skandal?

Nein. Eine ähnliche Klage hatten die Verbraucherschützer 2018 bereits gegen Volkswagen eingereicht. Anfang 2020 einigte man sich auf einen Vergleich, den rund 245.000 Kunden akzeptierten. VW zahlte ihnen je nach Alter und Typ des Fahrzeugs zwischen 1.350 und 6.250 Euro. Kurz darauf entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass VW seine Kunden systematisch getäuscht hat: Hätten sie gewusst, dass die Diesel-Autos mit einem bestimmten Motor viel mehr Schadstoffe ausstießen als auf dem Prüfstand messbar, hätten sie sich vermutlich für ein anderes Fahrzeug entschieden. In den meisten Fällen bekamen Kläger das Recht, ihr Auto zurückzugeben, mussten sich allerdings die Nutzung anrechnen lassen. Viele einigten sich mit VW stattdessen auf eine Einmalzahlung und behielten das Auto.

Was unterscheidet den Fall VW von Daimler?

Bei Daimler gibt es bisher keine klare juristische Aussage dazu, ob der Autobauer vorsätzlich oder sittenwidrig gehandelt hat. Es gab zwar schon eine ganze Reihe einzelner Schadenersatzklagen - allerdings mit ganz unterschiedlichem Ausgang. Außerdem ist die Ausgangslage komplizierter: Bei VW ging es nur um eine einzelne Abschaltvorrichtung, bei Daimler gibt es aus Sicht des vzbv ein ganzes Sammelsurium an Manipulationsvorwürfen. Daimler teilt mit, in den Individualverfahren vor deutschen Land- und Oberlandesgerichten sei in rund 95 Prozent der Fälle zu Gunsten des Unternehmens entschieden worden. Allerdings handelt es sich nach Konzernangaben bei dieser Rechnung um alle Diesel-Verfahren und nicht nur um jene, in denen es um Autos mit dem Motortyp OM651 ging.

Wie ist der Stand der Aufarbeitung des Diesel-Skandals bei Daimler abseits von Schadenersatzklagen wegen mutmaßlich unzulässiger Abschalteinrichtungen?

Die Affäre beschäftigt den Konzern seit langem auf mehreren Ebenen. Vor knapp zwei Jahren bekam Daimler von der Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Bußgeld in Höhe von rund 870 Millionen Euro aufgebrummt - wegen einer fahrlässigen Verletzung der Aufsichtspflicht in einer mit der Fahrzeugzertifizierung befassten Abteilung, wie es hieß. Dadurch hätten Dieselfahrzeuge Genehmigungen erhalten, obwohl der Ausstoß von Stickoxiden bei den Autos teilweise nicht den regulatorischen Anforderungen entsprochen habe. Abseits dessen ermittelt die Staatsanwaltschaft nach wie vor auch strafrechtlich gegen Mitarbeiter des Konzerns.

Das war's schon?

Keineswegs. Obendrein muss sich der Konzern mit Hunderten allein am Landgericht Stuttgart eingereichten Investorenklagen auseinandersetzen. Die Anleger werfen Daimler hier vor, die Märkte zu spät über die finanziellen Folgen der Dieselaffäre informiert zu haben. Dadurch seien die Daimler-Aktien, die die Anleger gekauft haben, zum damaligen Zeitpunkt viel zu teuer gewesen. Die Schadenersatzforderungen gegen den Autobauer in diesem Zusammenhang summieren sich inzwischen auf deutlich mehr als eine Milliarde Euro. Auch für die Investorenklagen soll es ein Musterverfahren am Oberlandesgericht Stuttgart geben - mit dem Ziel, grundlegende Fragen zu klären. Einen Starttermin gibt es noch nicht.

Was ist aus den US-Ermittlungen gegen Daimler geworden?

Den Streit mit Behörden und Kunden in den USA um angebliche Verstöße gegen Abgasregeln hat Daimler inzwischen mit einer Zahlung von umgerechnet mehr als 1,9 Milliarden Euro abgeräumt. Der Autobauer legte im September mit zwei Vergleichen Ermittlungsverfahren der US-Behörden und zudem zahlreiche Klagen von Autobesitzern bei. Daimler und seiner Tochter Mercedes-Benz USA wurden überhöhte Abgaswerte bei rund 250.000 Dieselwagen vorgeworfen. Außen vor bleiben hier aber ebenfalls strafrechtliche Ermittlungen, die in den USA seit 2016 im Zusammenhang mit der Dieselaffäre laufen.

 

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