Neue Anschlusstechnik
Die nächste Generation der Zündkerzen von Bosch hat eine neue Kontaktierung: Napf statt SAE-Mutter. Einige andere Weiterentwicklungen erfordern erhöhte Aufmerksamkeit in Werkstatt und Autohaus.
Seit ihrer Patentanmeldung im Jahr 1902 erfuhr die Zündkerze zahlreiche und intensive Entwicklungsfortschritte, die ihr jedoch nur zum Teil äußerlich anzusehen sind. Erkennbare Änderungen betreffen vor allem Größe und Form. Das Erstlingswerk von Bosch mit verschraubtem Einbau und ebensolcher elektrischen Kontaktierung ist nur noch bei den ganz alten „Schätzchen“ ein Thema. Doch Kerzen mit Gewinde M18 sollten älteren und/oder Klassiker-affinen Werkstattprofis noch in guter Erinnerung sein. M14-Zündkerzen sind heute die am weitesten verbreitete Größe, wobei bereits ihre Ablösungen in Form von M12- und M10-Kerzen existiert, Letztere mit Langgewinde und vorgezogener Funkenlage.
Im Zusammenhang mit der Auslegung des Motors werden drei Funkenarten un- terschieden: Luft-, Gleit- und Luft-Gleit-Funken. Den Luftfunken kennt man von vielen Anwendungen, er springt von der Mittel- zur Masseelektrode. Seine exakte Position prädestiniert ihn auch für den Einsatz bei Direkteinspritzern. Bei den Gleitfunken-Konzepten gleitet der Funke von der Mittelelektrode über die Keramik und springt dann durch einen kleinen Luftspalt zur Masseelektrode, was mit Vorteilen bei Zündsicherheit (niedrigere Überschlagspannung, längere Brenndauer) und Freibrandverhalten verbunden ist. Bei hoch aufgeladenen Motoren kann sich der Funke auf Grund des höheren Zündspannungsbedarfs allerdings in die Keramik eingraben, so dass der Einsatz auf nicht aufgeladene Motoren begrenzt ist. Nochmals mehr Zündsicherheit bei ebenfalls gutem Freibrandverhalten verspricht der Luft-Gleit-Funke, den es allerdings so gar nicht gibt; abhängig von den Brennraumbedingungen, entsteht entweder ein Luft- oder ein Gleitfunke, was den Einsatz derartiger Zündkerzen bei Direkteinspritzern ausschließt. Sein Vorteil ist die deutlich niedrigere Zündenergie.
Beginnend in den 1980er Jahren, wur-den vermehrt Edel- und Seltenerdmetalle als Mittel- und Masseelektrodenwerkstoffe eingesetzt. Stichworte: Platin, Iridium und Nickel-Yttrium. Als Basiselektrode wird eine Nickel-Yttrium-Legierung eingesetzt, auf die bei der Mittelelektrode ein Edelmetallstift per Laser aufgeschweißt wird. Die Masseelektrode enthält ein lasergeschweißtes Inlay aus Platinlegierung. Die Werkstoffe verlängern die Standfestigkeit der Zündkerze, heute sind bis zu 100.000 Kilometer erreichbar.
Ausfallursachen damals und heute
Bei der Veränderung der Ausfallursachen von Zündkerzen muss zunächst ebenfalls die Situation in den 1980er Jahren betrachtet werden. Damals enthielt Benzin noch Blei; auch Bleiablagerungen reduzierten die Standfestigkeit. Heute sind nur Erosion und Korrosion Ursachen dafür.
Eine aktuelle Entwicklung, die auch auf die Zündkerzentechnik Einfluss nimmt, ist das Downsizing, die Reduzierung von Hubraum und/oder Zylinderzahl in Ver-bindung mit Aufladung. Die verbindende Größe ist der Verdichtungsenddruck im Brennraum, der durch Downsizing wuchs und künftig weiter wachsen wird. Höhere Dichte der Füllung verlangt nach ebenfalls höherer Zündspannung, was gesteigerte Durchschlagfestigkeit des Keramikkörpers (Isolators) nach sich zieht. Erich Breuser, Gruppenleiter Entwicklung im Produktbereich Zündkerze der Robert Bosch GmbH, fasst die damit verbundene Herausforderung so zusammen: „50 Kilovolt sicher zu isolieren, ist nicht ohne Schwierigkeit.“
Die Lösung ist eine veränderte Zündkerzenbauform: Der Isolator wird ca. neun Millimeter länger und somit deutlich länger. Diese Anschlussart kann auch für Zündkerzenkonzepte mit neun Millime-ter Kopfdurchmesser eingesetzt werden. Wenn die Isolatorlänge zunimmt, jedoch insgesamt nicht mehr Bauraum zur Verfügung steht, muss ein anderes Teil der Kerze kleiner werden. Dieses Teil ist die Kontaktierung. Will heißen: Nach vielen Jahrzehnten identischer Kontaktierung geht man bei Bosch nun zu einer anderen Va- riante über. Statt Bolzen mit SAE-kon-former Anschlussmutter aus Stahl oder Messung, auf die der Federkontakt des Kerzensteckers geschoben wird, kommt ein Bolzen mit flachem Napf zum Einsatz (vgl. Bilder auf Seite 10). In diesen Napf greift der Kontaktstift des Kerzensteckers. Die Bauhöhe der Kontaktierung reduziert sich damit auf rund die Hälfte. Die ersten Zündkerzen mit neuartiger Kontaktierung und Gewinde M12 und einer Gewinde-länge von 26,5 Millimeter sollen bereits in diesem Jahr „in einen Kleinwagen einer deutschen Marke“ eingebaut werden. 2012 folgen Kerzen mit Gewinde M10, sagt Erich Breuser von Bosch.
Eine andere Weiterentwicklung der Zündkerzentechnik sind größere Kupferkerne in den Mittelelektroden, die einer verbesserten Wärmeabfuhr dienen. Nahm der Kern aus Kupfer bislang rund 24 Pro-zent des Mittelelektroden-Volumens ein, sind es heute rund 55 Prozent.
Hingegen nicht durchgesetzt hat sich die Ionenstromdiagnose als Möglichkeit der Erkennung von Zündaussetzern, ein-gesetzt bei Mercedes-Benz und Saab, doch inzwischen vom Markt verschwunden. Dafür gibt es zwei Gründe: „Zum einen war der Aufwand zur Applikation des Systems recht hoch. Zum anderen verursachten Ablagerungen auf den Elektroden Qualitätseinbußen des Signals. Diese sind auf Ölaschen zurückzuführen. In manchen Ländern werden dem Kraftstoff heute auch Additive, beispielsweise Ferrocen oder MMT, zugesetzt, die die Situation weiter verschlechtern“, erklärt Erich Breuser.
Welche Entwicklungsschritte folgen als nächste? Bereits seit geraumer Zeit ist von der Zündung von Ottomotoren per Mikrowelle, Hochfrequenz oder Laser die Rede. Fest steht, so Bosch: Solche Systeme sind allesamt noch nicht serienreif.
Die zahlreichen Weiterentwicklungen nicht nur der Zündkerzentechnik haben auch Auswirkungen auf Service und Reparatur. Fünf Beispiele für die somit erhöhten Anforderungen an Werkstattprofis:
Benzindirekteinspritzungen gibt es als luftgeführte, wandgeführte und strahlgeführte Systeme. Bei der strahlgeführten Direkteinspritzung (Schichtbrennverfahren) ist die exakte Positionierung des Zündfunkens und somit der Zündkerze nötig. Für Motoren mit dieser Einspritzung vorgesehene Zündkerzen erkennt man an diesen beiden Details:
es ist auf der Verpackung notiert
die Zündkerzen haben massive statt gefaltete Dichtringe
Konkrete Einbausituation: Die Position der Masseelektrode zum Injektor ist genau definiert, es gibt eine verbotene Position. Für den Zündkerzenwechsel bedeutet das, die Angaben des Automobil- oder Kerzenherstellers exakt einzuhalten. Das sind:
Drehmomentschlüssel verwenden
vorgeschriebenes Moment einhalten
Hält man sich nicht an die genannten Vorgaben, kann es zu schlechtem Start-verhalten, Zündaussetzern, Motor- und Katalysatorschäden kommen. Fahrzeuge mit strahlgeführter Benzindirekteinspritzung sind in der Tabelle rechts aufgeführt.
Der Drehmomentschlüssel spielt auch beim zweiten Beispiel eine wichtige Rolle. Alfa Romeos Motoren mit Twin-Spark-Zylinderköpfen sind, wie der Name schon sagt, zwei Zündkerzen pro Zylinder eigen. Diese sind trotz gleicher Schlüsselweite (16 Millimeter, vgl. Tabelle auf Seite 12 oben) nicht identisch. Aufgrund unterschiedlicher Gewindegrößen (M14 und M10) sind auch die Anzugsdrehmomente nicht die gleichen, sondern betragen 28 (M14) und 15 Newtonmeter (M10). Die Kerzen lassen sich neben den Gewinde-größen auch anhand der Typformeln (F und U) unterscheiden. Mögliche Schäden bei Nichtbeachtung der Regel: zerstörte Zündspulen und Abdeckungen. Die Tabelle auf Seite 12 unten enthält Fahrzeuge von Alfa Romeo mit dieser Besonderheit.
Wer gewohnt ist, den Widerstand von Zündkerzen per Multimeter zu messen, erlebt bei Zündkerzen mit eingesinterten Mittelelektroden aus Platin eine Überraschung in Form eines sehr hohen Werts. Das lässt sich mit den unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten von Keramik, Kontakt- und Platinstift erklären, was bei Raumtemperatur zu einem 20 Mikrometer großen Spalt zwischen Kon-takt- und Platinstift führt; bei höheren Temperaturen schließt sich dieser Spalt, dessen Widerstand man irrtümlich misst. Um den korrekten Widerstandswert bei Raumtemperatur zu ermitteln, muss eine Messspannung von rund 15 Kilovolt an- liegen. Konventionelle Multimeter messen mit Spannungen kleiner zehn Volt, weshalb für diese Widerstandsmessung spezielle Multimeter nötig sind. Hier die Widerstandswerte von Zündkerzen ohne die genannte Besonderheit:
Beschriftung R0: 0 bis 0,2 Ohm
Beschriftung R1: 1 bis 2 Kiloohm
Beschriftung R3: 1 bis 5 Kiloohm
Beschriftung R6: 3 bis 9 Kiloohm
Beschriftung R10: 6 bis 14 Kiloohm
Kerzen mit Elektrodenabständen größer als 1,1 Millimeter sind durch den erhöhten Spannungsbedarf anfällig für Kopfüberschläge. Mit spezieller Isolationspaste lässt sich diese Gefahr vollständig vermeiden.
Bei bräunlicher Verfärbung der Keramik besteht die Gefahr der Falschinterpretation. Die Verfärbung entsteht durch so ge- nannte Coronaentladungen und beeinträchtigt nicht die Funktion. Peter Diehl
▶ Je nach der Auslegung des Motors unterscheidet man drei Funkenarten: Luft-, Gleit- und Luft-Gleit-Funken
▶ Kerzen mit neuer Kontaktierung: Napf und Stift statt Messing- oder Stahlmutter und Feder
Alfa Romeo-Typen mit Twin-Spark-Motor
Modell
Motorcode
Einbauzeitraum
Alfa Romeo 145
930 MY95
Oktober 1994 bis November 1996
Alfa Romeo 145
930 MY97
November 1996 bis Februar 1999
Alfa Romeo 145
930 MY99
Februar 1999 bis Dezember 2000
Alfa Romeo 146
930 MY95
Oktober 1995 bis November 1996
Alfa Romeo 146
930 MY97
November 1996 bis Februar 1999
Alfa Romeo 146
930 MY99
Februar 1999 bis Dezember 2000
Alfa Romeo 147
937
ab November 2000
Alfa Romeo 155
167 MY92
März 1995 bis April 1996
Alfa Romeo 155
167 MY96
Mai 1996 bis Oktober 1997
Alfa Romeo 156 Berlina
932
Oktober 1997 bis Oktober 2005
Alfa Romeo 156 Sport Wagen
932
Juni 2000 bis Dezember 2005
Alfa Romeo 166
936
ab Oktober 1998
Alfa Romeo GT
937
ab Oktober 2003
Alfa Romeo GTV
916
April 1995 bis Dezember 2005
Alfa Romeo Spider
916
April 1995 bis Februar 2006
Zwei Kerzen im TS
Typformel
U...
F...
Schlüsselweite
16 mm
16 mm
Gewinde
10 mm
14 mm
Anzugsdrehmoment
15 Nm
28 Nm
▶ Ionenstromdiagnose: Zu teuer für die Erkennung von Aussetzern, Qua-litätseinbußen durch Ablagerungen
Strahlgeführte Benzindirekteinspritzung
Marke
Modell
Motorcode
Einbauzeitraum
550i (F10)
N63 B44A
ab 2010
550i Gran Turismo (F07)
N63 B44A
ab 2009
X5 xDrive 50i (E70)
N63 B44A
ab 2010
650i (F12)
N63 B44A
ab 2011
X6 xDrive 50i (E71)
N63 B44A
ab Mai 2008
X6 Active Hybrid (E72)
-
ab 2010
750i/Li (F01/F02)
N63 B44A
ab November 2008
Active Hybrid 7 (F04)
-
ab 2010
Mercedes-Benz
C 350 CGI (W204)
M272.982
ab September 2008
E 350 CGI (W211)
M272.985
Limousine: Dezember 2007 bis März 2009T-Modell: ab Dezember 2007
E 350 CGI (W212)
M272.983
ab April 2009
CLS 350 CGI (C219)
M272.985
ab Juli 2006
hinzu kommen alle Modelle mit den neuen Motoren M276 (V6), M278 (V8) und M157 (V8 AMG)
Zündkerzen-Programm von Bosch*
Produktbezeichnungen
Besonderheiten/Empfehlungen
Super
wie Erstausrüstung, Elektroden ohne Edelmetall
Super plus
wie Erstausrüstung, hohe Marktabdeckung, alle Techniken und Materialien vertreten
Super 4 Premium Line
vier dünne Masseelektroden, Luftgleitfunkenkerze, Alternativangebot auch für ältere Fahrzeuge
Platinum
eingesinterte Platin-Mittelelektrode
Platinum Iridium
wie Erstausrüstung, Elektroden aus Edelmetall
Silber
Silber-Mittelelektrode, gute thermische Leitfähigkeit, geeignet für Motorsport
▶ Alfa Romeos Twin-Spark-Motoren: Kerzen mit gleicher Schlüsselweite, aber verschiedenen Drehmomenten
- Ausgabe 6/2011 Seite 11 (483.7 KB, PDF)