Von Peter Weißenberg/SP-X
Teslas Model S kann doch immer wieder begeistern: Wer auf trockener Straße beherzt das Strompedal tritt, bekommt das rasante Jet-Gefühl ins Kreuz. Das kann so eben nur ein kraftvoller Elektromotor bringen, der sein Drehmoment ja stets sofort zur Gänze entfaltet.
Weniger begeisternd stellt sich der stete Strom an Drehmoment aber an diesem sonnigen Tag am eiskalten Polarkreis dar. Da geht der Tesla nämlich auf Kreisfahrt in der Mitte eines tiefgefrorenen Sees. Bei Tempo 60 ist Schluss mit lustig: Das ESP regelt jede weitere Beschleunigung ab, bevor es die Limousine unaufhaltsam Richtung Tiefschnee am Kurvenrand zieht. Das Elektroauto als Spaßbremse.
"Das muss nicht sein", ist sich Werner Ness sicher. Der Experte für Elektromobilität beim Autozulieferer Magna tritt auch gleich den Beweis an: Ein Motor mehr wirkt Wunder im Tesla. Den Wagen haben die Kanadier als Versuchsträger mit eigenen Antrieben versorgt - und zwar gleich dreien: An der Vorderachse arbeitet ähnlich wie beim Original ein einzelner Elektromotor. Der Magna-Prototyp kann bis zu 160 kW / 218 PS freisetzen und bis zu 3.800 Newtonmeter auf der Vorderachse anliegen lassen. Hinten aber arbeiten statt einem nun zwei dieser Motoren. Die können nicht nur bis zu 5.000 Newtonmeter auf die Achse schicken, sondern haben noch einen anderen Trick drauf. Die beiden Maschinen an der Hinterachse ermöglichen ein elektronisches Torque-Vectoring - das heißt: Sie schicken das Drehmoment immer dahin, wo es gerade gebraucht wird.
Blitzschnelle Korrekturen
Und das hat im Versuchs-Tesla erhebliche Folgen: Tempo 60, 70, 75 - und der Wagen zieht mit abgeschaltetem ESP immer noch unbeeindruckt seine Bahn. Auf einem Monitor ist zu sehen, wie der Motor an der kurvenäußeren Hinterachse dazu blitzschnell die Newtonmeter rausknallt. Erst, als die Gesetze der Physik auch hier die Grenzen aufzeigen, drängt das Auto nach außen. Nur lässt er sich auch ohne Assistenzsysteme einfach wieder einfangen. Geschwindigkeit runter und sanft gegenlenken, das war’s.
In einem Verbrenner ginge das so leicht nicht, wie ein Vergleich mit einem Golf R belegt, der die Eisrunde mit einem mechanischen Torque-Vectoring auf Basis zweier Getriebe an der Hinterachse bewältigt. Mit Fuß auf dem Gas geht das bis in ähnliche Geschwindigkeiten wie beim Tesla gut. Wenn der Golf ausbricht, ist er aber ungleich schwieriger wieder einzufangen, weil beim Gaswegnehmen die beiden Getriebe keine Kraft mehr bekommen, um ausgleichend ihr Drehmoment zu verteilen. Gasgeben und Gegenlenken ist also angesagt.
Der Stromer hat dagegen durch seine drei Motoren immer so viel Drehmoment wie nötig am Rad. "Das macht dynamisches Fahren im Grenzbereich wesentlich stressfreier", sagt Ness. Er rechnet schon bald mit dem Einsatz der Technik in sportlichen Fahrzeugen. Zumal Magnas neuer Motor auch noch frei von seltenen Erden ist, deren Verfügbarkeit und Preis stark schwankt. Parksperre, Getriebe, Motor, Rotor, Inverter: Alle Komponenten sind zudem in einer Box verbaut. Der ganze Antrieb wird wassergekühlt, Ölpumpe und Wärmetauscher braucht es nicht.
Motormix auf für kleinere Klassen interessant
Kompaktwagen der Golf-Klasse werden aber dennoch aus Preisgründen weiter mit dem mechanischen Torque-Vectoring laufen, sagt Ness. Das heißt aber nicht, dass der elektrische Motormix nicht auch mal in die kleineren Klassen einkehrt. Ness’ Kollege Thomas Holle hat da auch eine Neuentwicklung auf Lager: Der Entwickler für Doppelkupplungsgetriebe hat das modernste Siebengang-DSG des Hauses so weiterentwickelt, dass in der gleichen Box auch noch eine Elektro-Maschine und deren Kühlung Platz findet. "Die ganze Einheit würde auch in den Bauraum etwa eines Renault Mègane passen, für den wir das normale DSG bereits liefern", sagt Holle. Lediglich das Gewicht steige von 67 auf 90 Kilo.
Im Gegenzug sind aber Verbrauchseinsparungen von 20 Prozent möglich - und natürlich ein knalliges Drehmoment ab Drücken des Startknopfes. Diese Aussicht dürfte wohl auch Kleinwagenfahrer elektrisieren.