Der italienisch-amerikanische Autobauer Fiat Chrysler ist wegen des Verdachts des Abgas-Betrugs ins Visier weiterer US-Behörden geraten. In seinem am Dienstag in London veröffentlichten Jahresbericht räumte der Konzern neben einer Reihe von Zivilklagen auch zusätzliche Ermittlungen ein. Neben dem Justizministerium würden etwa auch die Börsenaufsicht SEC und die Generalstaatsanwälte mehrerer US-Bundesstaaten den Fall prüfen. Man wolle bei allen zulässigen Anfragen kooperieren, teilte der Autohersteller mit.
Im Januar hatte die US-Umweltbehörde EPA bekanntgegeben, dass sie nach dem Skandal bei Volkswagen auch Fiat Chrysler wegen manipulierten Abgaswerten im Verdacht hat. Es geht um die Angaben zum Ausstoß des Schadstoffs Stickoxid bei rund 100.000 Dieselwagen. Eine möglicherweise illegale Software zur Abgaskontrolle sei nicht offengelegt worden, was einen Verstoß gegen Umweltgesetze darstelle.
Fiat Chrysler wies den Verdacht zurück und geht davon aus, sich mit seiner Abgastechnik im legalen Rahmen zu bewegen. Dennoch war die Verunsicherung zunächst hoch. Denn viele Beobachter sahen Parallelen zur Dieselgate-Affäre des Rivalen VW, der für seinen Abgasbetrug in den USA mit Strafen und Entschädigungen von mehr als 20 Milliarden Euro büßt. Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne versicherte jedoch: "Wir haben keinerlei Betrug begangen."
"Wer uns mit dem deutschen Unternehmen vergleicht, hat etwas Illegales geraucht", sagte der um deutliche Worte selten verlegene Marchionne italienischen Medien. Tatsächlich unterscheidet sich der Fall - zumindest nach allem, was bislang bekannt ist - wesentlich vom VW-Skandal. Die Wolfsburger gaben nach den Anschuldigungen der US-Behörden rasch Manipulationen zu, außerdem ist die Anzahl der betroffenen Autos bei ihnen deutlich höher.
Anleger hoffen auf Trump
Bei Anlegern machte sich nach anfänglichem Schock rasch die Hoffnung breit, dass Fiat Chrysler relativ ungeschoren aus der Sache herauskommt. Am 12. Januar, dem Tag, als die EPA ihren Verdacht öffentlich machte, war die Aktie zeitweise um 18 Prozent abgestürzt und der Handel mit dem Papier zwischenzeitlich gestoppt worden. Doch die Verluste konnten fast vollständig wieder wettgemacht werden, zuletzt stand der Kurs nur noch mit rund einem Prozent im Minus.
Ein Grund für die Zuversicht der Aktionäre dürfte auch der Regierungswechsel in den USA sein. Der neue Präsident Donald Trump gilt nicht als großer Anhänger des Umweltschutzes. Fiat-Chrysler-Chef Marchionne wurde bereits freundlich von Trump im Weißen Haus empfangen, dabei kündigte der Präsident an, "überflüssige" Umweltgesetze abzubauen. Marchionne versprach ihm 2000 neue Jobs durch eine Milliarden-Investition in US-Werke zu schaffen.
Auch in Europa wird der Konzern schon länger der Abgasmanipulation verdächtigt. Zwischen Italien und Deutschland tobt seit Monaten ein Streit um möglicherweise gefälschte Schadstoffwerte bei Fiat Chrysler. Die Bundesregierung beruft sich auf Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes. Auch die EU-Kommission forderte Italien mehrfach auf, dies zu prüfen. Ende Januar hatte die EU mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht, wenn Italien keine Aufklärung im Abgasstreit schaffe. (dpa)