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Interview: Hochvolt-Experte statt Schrauber

15.12.2021 11:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Christian Brügger und Peter Reck
Christian Brügger, Product Engineering Aftersales Elektrik (l.) und Peter Reck, Produktmanager Aftersales.
© Foto: Porsche

Bei Porsche steigt mit der zunehmenden Elektrifizierung der Bedarf an Hochvolt-Fachkräften. Wir haben mit den Aftersales-Experten Christian Brügger und Peter Reck über Reparaturmöglichkeiten am Taycan und Schulungskonzepte gesprochen.

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Kurzfassung

Beim Porsche Taycan lassen sich nicht nur einzelne Batteriemodule, sondern sämtliche Komponenten des Hochvolt-Systems tauschen. Dafür sind jedoch verschiedene Hochvolt-Qualifikationen notwendig.

asp: Porsche spricht von 30 Prozent weniger Wartungsarbeiten beim Elektrosportwagen Taycan im Vergleich zu Verbrenner-Modellen. Was für Service- und Wartungsarbeiten fallen da überhaupt noch an?

P. Reck: Im Rahmen des Service überprüfen wir den allgemeinen Zustand des Fahrzeugs. Alle sicherheitsrelevanten Teile werden auf Verschleiß überprüft. Wir schauen uns sozusagen auch den Gesundheitszustand des Fahrzeugs an - schließlich sprechen wir hier von einem Sportwagen. Der Abfluss an der Ladebuchse sollte zudem frei sein, sodass sich hier kein Rückstau von Regenwasser bildet, der die Kontakte berührt. Auch muss beispielsweise der Innenraumfilter regelmäßig ausgetauscht werden. Die Batterie des Taycan ist hingegen wartungsfrei.

asp: Lassen sich einzelne Batteriemodule austauschen?

C. Brügger: Ja, das ist möglich. Im Reparaturfall wird das entsprechende Batteriemodul identifiziert und ausgetauscht. Die gesamte Batteriekapazität ist bestimmt durch die schlechteste Zelle. Wenn eine Zelle Kapazität verliert, begrenzt sie die Reichweite. Eine defekte Zelle können wir mittels des Diagnosetesters in der Werkstatt detektieren. Wenn zum Beispiel die Spannungen nicht zusammenpassen, wissen wir bereits vor der Reparatur, welches Modul getauscht werden muss.

asp: Was für Hochvolt-Komponenten lassen sich an einem Taycan noch tauschen?

C. Brügger: Wir können am Hochvoltsystem sämtliche Komponenten tauschen, auch Anbauteile. Die Batterie allein besteht prinzipiell aus zwei Teilen: der Schaltbox und dem Batteriekörper mit den Zellmodulen. Auch Steuergeräte lassen sich tauschen. Prinzipiell ist unser Ziel bei Porsche, Komponenten in mehrere kleinere Komponenten aufzuteilen. Damit können wir einzelne Teile tauschen.

asp: Welche Sicherheitsvorkehrungen müssen bei Arbeiten am Hochvoltsystem und an der Batterie getroffen werden?

C. Brügger: Das ganze Hochvoltsystem ist eigensicher aufgebaut, das heißt, bei jedem kritischen Fehler wird die Batterie abgeschaltet und trennt sich vom Fahrzeug. Das könnte beispielsweise bei einem Crash, bei zu hoher Temperatur oder einem Isolationsfehler passieren. Die Spannung verbliebe also in einem solchen Fall in der Batterie. Alle Stecker sind zudem mit einem Berührschutz ausgeführt. Und auch im Innern der Taycan-HV-Batterie ist grundsätzlich alles für den Hochvolt-Experten berührgeschützt ausgeführt.

asp: Wie gehen Sie bei einer mechanisch defekten Batterie vor?

C. Brügger: Bei extremen Unfällen mit mechanischer Beschädigung der Batterie ist Expertenrat gefragt. Wir haben Hochvolt-Experten in den Werkstätten, die für solche Batteriefälle qualifiziert wurden und eine spezielle persönliche Schutzausrüstung (PSA) besitzen. Für auffällige Batterien haben wir zertifizierte Transportboxen aus Metall, die sogar einen Brand überstehen würden. Dort setzen wir die schadhaften Teile ein. Sollte die Erfahrung des Hochvolt-Experten nicht ausreichen, erhält der Techniker Hilfestellung.

P. Reck: Es gibt zudem Vorgaben, was die Räumlichkeiten angeht. Der Arbeitsplatz für Reparaturen an Hochvolt-Systemen befindet sich immer in der Nähe des Ausgangs, damit im Falle eines thermischen Events reagiert werden könnte. Der Batteriearbeitsplatz sollte frei von Hindernissen sein, um die Bewegungsfreiheit und maximale Sicherheit zu garantieren. Jedes Porsche Zentrum muss zudem über einen adäquaten Quarantäneplatz verfügen, der den landesspezifischen Anforderungen genügen muss.

asp: Welche Hochvolt-Qualifikation muss ein Mechatroniker bei Porsche haben?

P. Reck: Bei Porsche haben wir die drei Qualifizierungs-Stufen "Elektrisch unterwiesene Person", "Hochvolt-Techniker" und "Hochvolt-Experte". Diese drei Stufen sind mit der DGUV-Verordnung und den Qualifizierungen 1S, 2S und 3S vergleichbar. Zusätzlich zu dieser Basisausbildung sind technologiespezifische Trainings erforderlich. Am Anfang steht immer die Hochvolt-Techniker-Ausbildung. Darauf setzt die Hochvolt-Experten-Ausbildung auf und ergänzt diese um technologiespezifische Trainings zu den unterschiedlichen Batteriesystemen.

asp: Wie lassen sich die Qualifikationen erwerben?

P. Reck: Das kommt auf die Qualifikationsstufe an. Die Stufe 1S basiert auf einem Web-Training beziehungsweise einer Vor-Ort-Unterweisung durch den Hochvolt-Techniker/-Experten im Porsche Zentrum. Die Qualifikation zum Hochvolt-Techniker bieten wir im Rahmen eines Train-the-Trainer-Ansatzes an. Lokale Markttrainer im jeweiligen Land qualifizieren die Hochvolt-Techniker der Porsche Zentren. Die Qualifikation ist eine Mischung aus webbasierten Trainings, die um Präsenztrainings ergänzt werden. Hochvolt-Experten schulen wir aktuell nur zentral im Trainingszentrum bei Porsche vor Ort. Ab 2022 wollen wir dies jedoch dezentral organisieren und planen weltweit acht Trainings-Standorte aufzubauen.

asp: Wie viele Porsche-Betriebe haben bereits eine Hochvolt-Qualifizierung?

P. Reck: Alle Techniker bei Porsche sind elektrisch unterwiesene Personen. Darüber hinaus hat jedes Porsche Zentrum mindestens zwei Hochvolt-Techniker, die beispielsweise einen Batterietausch vornehmen können. Hochvolt-Experten gibt es nur in unseren Hochvolt-Stützpunkten beziehungsweise in unseren Regionalbüros, insofern diese mit mobilen Hochvolt-Experten arbeiten. Wir verfügen momentan bereits über 76 Hochvolt-Stützpunkte und 88 mobile Hochvolt-Experten weltweit. Jede Werkstatt und jeder mobile Hochvolt-Experte muss über ausreichend Hochvolt-Erfahrung verfügen und mindestens eine Reparatur pro Jahr durchführen, um sein Qualifikationslevel aufrechtzuerhalten.

asp: Ist das Schulungsangebot auch für freie Werkstätten erhältlich?

P. Reck: Wir richten uns hier an die Vorgaben der Kfz-Gruppenfreistellungs-Verordnung (GVO). Als Hersteller haben wir die Verpflichtung, auch Mitarbeiter von freien Betrieben technisch auszubilden. Alle Hochvolt-Trainings, die wir für die Techniker der Porsche Zentren anbieten, gelten somit auch für freie Betriebe, sofern Zugangsvoraussetzungen erfüllt sind.

Porsche Taycan Batterien
Der Porsche Taycan ist je nach Modell mit 28 oder 33 Batteriemodulen ausgestattet.
© Foto: Porsche

Mehrstufiges Servicekonzept bei Porsche

Porsche hat bei der Entwicklung des Taycan auf einen einfachen Aufbau der Traktionsbatterie geachtet, sodass der Stromspeicher später in qualifizierten Porsche Zentren repariert werden kann. Das Batteriegehäuse kann geöffnet und die Zellmodule sowie andere Komponenten ausgetauscht werden. Ist die Batterie am Ende ihrer Lebensdauer angelangt, bestehen zudem folgende Möglichkeiten:

- Second Life
Funktionsfähige Zellmodule, die sich aber nicht mehr für einen Einsatz im Fahrzeug eignen, können in stationären Energiespeichern verbaut werden. Dafür müssen sie auf Modulebene zerlegt werden.

- Recycling
Porsche optimiert fortlaufend bestehende Recycling-Prozesse mit dem Ziel, den Anteil an Rohstoffen im Kreislauf zu erhöhen und sie wieder in neuen Batterien einzusetzen.



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