Serie Serviceberater/Teil 1
Die Arbeit von Serviceberatern gehört zu den anspruchsvollsten Tätigkeiten in Werkstätten und Autohäusern. Sie sind Kundenkontakter, technischer Berater, sollen Serviceleistungen verkaufen. Gleichzeitig schultern sie die Werkstattorganisation, führen Teams und sind Prellbock zwischen Kunde, Team und Chef. Kein Wunder, dass viele Serviceberater unter ihrem Job leiden. Wie man das ändern kann, ist Gegenstand unserer neuen Serie.
Wie viele Serviceberater im Kundenkontakt kennen Sie, die in diesem Job das Rentenalter von 65 Jahren erreichen? Einen? Zwei? Eigentlich müssten es immer mehr werden, denn auch für Serviceberater gilt, dass es immer mehr ältere Menschen gibt. Aber nein – kaum einer schafft es! Es wird in den Talkshows immer darüber gerätselt, wie denn bitteschön ein Maurer mit 65 Jahren noch seinen Job machen soll. Der schafft das eher als ein Serviceberater! Und da stellt sich doch die Frage, wie man diesem Phänomen begegnen sollte. Kann doch nicht sein! Und vor allem – darf doch nicht sein!
Was Serviceberater kaputt macht
Wenn man sich mal anschaut, was Serviceberater kaputt macht, dann gibt es viele Bereiche im täglichen Tun, die nervenaufreibend sind. Diese wollen wir in dieser neuen Serie im Detail betrachten und vor allem auch Hilfen und Verfahren anbieten, die dem Serviceberater helfen, ohne übermäßige Blessuren über den Tag zu kommen.
Die Flaschenhals-Theorie
Nehmen Sie sich mal eine Flasche. Und nun stellen Sie sich vor, die Flasche stellt symbolisch den Servicebereich dar. Unten, der Flaschenbauch, der Flascheninhalt, das sind die Produktivkräfte, die darauf warten, dass Arbeit in die Flasche eingefüllt wird. Je mehr reinkommt, desto voller wird die Flasche. Und oben der Flaschenhals – da muss die ganze Arbeit durch, um überhaupt in die Flasche zu gelangen. Und nachher auch wieder heraus. Das ist das Gemeine! Denn das sind die sogenannten unproduktiven Kräfte. Darunter fällt auch der Serviceberater. Unproduktive Kräfte – der Namen sagt es bereits, gehören nach Auffassung verschiedener Betriebswirte und Unternehmensberater abgeschafft.
Schlauer Plan, liebe Kostenoptimierer, denn damit verengt sich der Flaschenhals. Gleichzeitig haben sich in den letzten Jahren die administrativen Anforderungen an einen Auftrag deutlich ausgeweitet. Nochmals wird der Flaschenhals enger. Im Grunde genommen stellt der verbleibende Durchmesser des Flaschenhalses die verfügbare Zeit dar, die einem Serviceberater bleibt, die in Auftrag gegebene Arbeit in die Flasche zu bekommen, bzw. danach wieder aus der Flasche heraus. Trotz der vielen Veränderungen am Flaschenhals hat sich aber eines nicht verändert: Der Flaschenbauch, denn den brauchen wir, um überhaupt Umsatz zu machen.
Der Serviceberaterwürger
Nun passiert Folgendes: In der Schule haben wir gelernt, dass man auch durch einen engen Querschnitt größere Mengen Flüssigkeit bekommt, indem man ganz einfach …? Richtig! Den Druck ausreichend erhöht. Übertragen auf die Situation des Serviceberaters heißt das, wir machen im 15-Minuten-Takt die Termine und am besten sieben Stück hintereinander, damit der Serviceberater morgens schon mal die Flasche voll bekommt. Und wenn dann schon mal genug Kunden da sind, dann nehmen wir noch die unangemeldeten hinzu. Oder wir sagen dem Kunden am Telefon: „Ich schreibe mal zehn Uhr in den Plan. Kommen Sie einfach um acht.“ Oder der Chef sagt seinem Kumpel, dass er immer kommen kann! Am besten direkt morgens. Oder die Anhängerkupplung für den plötzlich vom Himmel gefallenen Gebrauchtwagenkunden aus dem Vertrieb. Morgens gebracht – mittags gemacht!
Druck schafft Geschwindigkeit
Kleiner Querschnitt und hoher Druck führen aber immer zu hoher Durchflussgeschwindigkeit. Oder der Hals platzt. Gesetz der Physik! Das kommt ihnen bekannt vor, nicht wahr? Die Folge ist, die Serviceberater geben Gas und pumpen die Aufträge schnellstmöglich in die Flasche. Auf der Strecke bleibt die Direktannahme, das aktive Nachfragen, das klärende Gespräch und – am schlimmsten – die Wertschätzung des Kunden.
Die Devise heißt dann aus dem Selbstschutz heraus: „Gib den Schlüssel, sag schnell, was an Deinem Auto zu machen ist und dann lass mich arbeiten!“ Und das alles ohne was zu sagen. Die Folgen: Nun – wenn wir mit hohem Druck Flüssigkeiten durch einen engen Querschnitt in eine Flasche pressen, dann bilden sich in der Flüssigkeit Sprudelblasen. Jede dieser kleinen Blasen nimmt Raum im Flaschenbauch ein, ohne dass dafür Geld generiert wird. Das sind die unklaren Auftragsinhalte, das notwendige Nachfragen, die nicht bestellten Teile. Das sind die Wartezeiten der Monteure auf eine Entscheidung etc. Hier eine Minute, da eine Minute.
Ausdehnen von Aufträgen
Und das Ganze ohne Kohlensäure. Aufträge aber, die ohne Direktannahme in die Werkstatt gepumpt werden, neigen völlig entgegen jedem physikalischen Gesetz dazu, sich urplötzlich auszudehnen und darüber hinaus auch noch weitere Blasen aufsteigen zu lassen: „Mist – jetzt ist auch noch die Bremse kaputt!“ Am Ende will der Kunde die auch noch heute gemacht bekommen! Nein – geht nicht. Da muss er noch mal wiederkommen! Wohin mit dem Druck in der Flasche? Alles Richtung Flaschenhals. Da ist einer, der ist dafür zuständig. Richtig – der Serviceberater!
Am Ende zählt der Inhalt
Am zehnten des Folgemonats wird dann der Flascheninhalt geprüft. Diesmal aber in beruhigtem Zustand. Wieso ist die Flasche jetzt nur noch dreiviertel voll? Na, weil die Monatsabrechnung nur die beruhigte Flasche betrachtet. Alle Luftblasen sind nach oben entwichen. Und dann stellt der Chef fest, dass er entweder einen Mechaniker zuviel hat oder der Serviceberater im nächsten Monat auf jeden Fall besser verkaufen muss. Schlauer Plan!
Druck raus bei gleichem Personal
Wie das zu vermeiden ist? Nun, in den folgenden Ausgaben werden wir Möglichkeiten aufzeigen, wie Sie den Flaschenhals mit dem gleichen Personal bestmöglich weiten können. Wie Sie den Druck rausnehmen und so überhaupt in der Lage sind die Aufträge in der erforderlichen Güte in die Werkstatt zu bekommen. Und wie Sie Blasenbildung innerhalb der Flasche bestmöglich vermeiden. Damit der Serviceberater mit den Kunden älter werden kann und das Rentenalter erlebt. Alles andere ist Wahnsinn! Georg Hensch
- Ausgabe 11/2011 Seite 58 (394.1 KB, PDF)