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Prinzip „Lebensnähe“

23.03.2012 12:02 Uhr

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Alfons-Kern-Schule Pforzheim

Ein Gespräch mit den Dozenten Manfred Lutzweiler, Klaus Rohde, Raphael Schuster und Abteilungsleiter Dieter Dalacker über Aus- und Weiterbildung sowie Motivation. Schüler der Alfons-Kern-Schule haben beim Auto Service Meister 2011 geglänzt. Die Arbeit in Pforzheim ist nicht zuletzt für betriebliche Ausbilder hochinteressant.

Meisterschüler sind im Vergleich zu früher durchschnittlich jünger, wenn sie ihre Weiterbildung starten. Wo sehen Sie diesbezüglich Vor- bzw. Nachteile?

Klaus Rohde: Die verpflichtende Gesellenzeit von drei Jahren wurde abgeschafft, richtig. Das hat der Gesetzgeber so entschieden. Die Schulordnung in Baden-Württemberg verlangt jedoch eine ausreichende Berufserfahrung vor dem Beginn des Meisterkurses. Das ist natürlich Auslegungssache. Bei uns beginnen die Schüler ihren Kurs in der Regel nach einjähriger Gesellenzeit.

Dieter Dalacker: Diese Aufnahmebedingung gibt es oftmals bei privaten Trägern allerdings nicht. Dort können interessierte Schüler im Grunde unmittelbar danach ihren Meister machen.

Raphael Schuster: Meisterschüler, bei denen die Schulzeit noch nicht so lange zurückliegt, tun sich in Teilbereichen leichter. Wer z.B. zehn Jahre im Betrieb gearbeitet hat, hat Schwierigkeiten mit dem Schulbetrieb. Weniger in praktischer Hinsicht, wohl aber fehlt dann der theoretische Hintergrund. Ein weiteres Problem ist die schriftliche Formulierung. Da muss sich der betriebserfahrene Schüler erst wieder reinfinden.

Manfred Lutzweiler: Umgekehrt fehlt den jungen Meisterschülern die praktische Erfahrung. Je jünger, desto weniger Kenntnisse sind beispielsweise bei Fehlersuche oder Reparaturwissen vorhanden.

Klaus Rohde: Die meisten haben sich zudem noch nicht mit betriebswirtschaftlichen Fragestellungen beschäftigt. Die Betriebsführung ist aber in wesentlichem Maße prüfungsrelevant. Hier sind die Älteren im Vorteil. Die Jüngeren holen aber schneller auf, weil ihnen das schulische Lernen zumeist leichter fällt. Beide haben im Vergleich mit Vor- und Nachteilen zu kämpfen.

Jungen Erwachsenen wird nicht selten mangelnder Ehrgeiz und geringe Leistungsbereitschaft vorgeworfen. Beim Blick auf die Ergebnisse Ihrer Schüler, bekommt man aber einen anderen Eindruck. Wie erklären Sie sich das?

Klaus Rohde: Negativbeispiele gibt es natürlich in jeder Generation. Wir unterrichten aber nur einen bestimmten Teil davon. Unsere Schüler sind schon einen Schritt weiter. Die Entscheidung, den Meisterbrief zu machen, ist eine freiwillige. Aus diesem Grund sind sie wissbegieriger und zielorientierter.

Manfred Lutzweiler: Im Vollzeitunterricht muss ein Jahr Verdienstausfall gestemmt werden. Die Schüler haben die Weiterbildung durchgerechnet und wissen genau, was sie tun. Und auch wenn Eltern oder – und auch das hatten wir schon – die Partnerin die Weiterbildung bezahlen: Sie haben ein ureigenes Interesse am Erfolg!

Im Bereich Technik erscheint es mir noch relativ einfach, die Schüler zu motivieren. Der Kfz-Mechaniker ist per se interessiert an Technik. Wie verhält es sich aber bei BWL, Recht und der angesprochenen Betriebsführung?

Klaus Rohde: Diese Fächer unterrichte ich. Mit dem Meisterbrief in der Tasche haben Kfz-Techniker die Befähigung, einen Betrieb zu gründen oder zu übernehmen. Dazu benötigt man Kenntnisse in Recht, Buchführung, Steuern und ähnlichen Fächern. Schüler, die eine berufliche Selbständigkeit planen, sollten also ein Interesse an den Ausbildungsinhalten des Teil III mitbringen.

Sicher, sollten sie. Wie ist es aber in der Realität? Können Sie Meisterschüler für diese eher trockenen Fächer erwärmen?

Klaus Rohde: Es ist wichtig, diesen Zusammenhang darzustellen. Ihnen also aufzuzeigen, dass man mit dem entsprechenden Know-how Kosten sparen und so einen Betrieb auch wieder auf Vordermann bringen kann.

Manfred Lutzweiler: Zudem setzten wir auf eine Veranschaulichung durch Rollenspiele. Beispielsweise im Bereich Auftragsannahme. Auf diese Weise nimmt die Theorie Gestalt an und die Schüler begreifen, warum bestimmte Sachverhalte, Vorgehensweisen und Regularien so wichtig sind.

Klaus Rohde: Das Zauberwort für einen erfolgreichen Unterricht heißt „Lebensnähe“. Wenn die Lehrer erklären können, dass die Schüler die vermittelten Kenntnisse brauchen können – und zwar sowohl für die Meisterprüfung, als auch später im Betrieb – dann finden die Dozenten auch Gehör.

Die Automobiltechnik entwickelt sich permanent und in hoher Geschwindigkeit weiter. Das ist auch im Service relevant. Woher holen Sie sich das notwendige Wissen, um immer auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben?

Dieter Dalacker: Es werden regelmäßig Lehrerfortbildungen ausgeschrieben. Die behandeln bestimmte Themen und dauern meistens ein bis drei Tage. Die Fortbildungsquote in unserem Haus ist sehr hoch. Angeboten werden die Kurse zumeist vom Regierungspräsidium, den Herstellern oder der Akademie Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (TAK).

Manfred Lutzweiler: Ich bin insofern in einer glücklichen Lage, als ich sowohl in meiner Funktion als Lehrer an der Alfons-Kern-Schule Fortbildungen besuchen kann als auch als Technischer Lehrer, der für die Innungen Schulungen im Bereich Diesel durchführt. Für die Ausübung dieser Tätigkeit bin ich verpflichtet, pro Jahr mindestens eine einwöchige Fortbildung an der TAK zu besuchen.

Das ist sicher auch wichtig, um sich vor der Klasse ein Stück weit Respekt zu verschaffen.

Manfred Lutzweiler: Natürlich. Man muss sich überlegen, dass einem Leute gegen-übersitzen, die – wenngleich selten – teils seit zehn bis 15 Jahren berufstätig sind und sich ein großes Fachwissen aufbauen konnten. Ich für meinen Teil bin aber seit 15 Jahren aus dem Werkstatt-Berufsleben weg. Da sind Fortbildungen und Spezialisierungen sehr wichtig, um Rede und Antwort stehen zu können.

Deute ich das dahingehend richtig, dass Schüler in Teilbereichen schlauer sind als die eigenen Lehrer?

Raphael Schuster: Selbstverständlich. Das verbuchen wir aber als Bereicherung. Wir unterrichten Spezialisten, die sich in bestimmten Sachgebieten ausgezeichnet auskennen und dieses Fachwissen kann man für den Unterricht nutzen.

Die Schüler kommen aus unterschiedlichen Werkstätten mit verschiedenen Ausrichtungen und haben auch einen heterogenen Erfahrungsschatz. Wie bekommen Sie als Lehrer diesen Spagat hin?

Manfred Lutzweiler: Wissensunterschiede zwischen den Schülern relativieren sich mit der Zeit. In den Praxiseinheiten bauen wir häufig auf Gruppenarbeit. Dann entwickelt sich eine gewisse Dynamik. Mit der Folge, dass die stärkeren Schüler die schwächeren mitziehen.

In Ihrem Leitbild sind moderne Unterrichtskonzeptionen genannt, denen sich Schulleitung und Lehrer verpflichtet fühlen. Können Sie ein Beispiel geben?

Raphael Schuster: Zeitgemäßer Unterricht bedarf modern ausgestatteter Räumlichkeiten. Da wir vor wenigen Jahren angenehmerweise einen Neubau bezogen haben, verfügen wir über aktuelle Lehrmittel. Beispielsweise arbeiten wir in einem speziellen elektrotechnischen Labor. Dort werden ebenfalls in Kleingruppenarbeit elektronische Problemstellungen behandelt. In einem späteren Schritt besprechen wir die entsprechenden Funktionsweisen in der Werkstatt dann am Fahrzeug.

Dieter Dalacker: Das muss man auch betonen: Ein Labor, in dem Fahrzeugteile simuliert werden, hat nicht jede Schule.

Klaus Rohde: Sie sehen, unsere technische Ausrüstung ist sehr gut. Übrigens ein weiterer Grund für die durchweg hohe Motivation und die zumeist guten Leistungen der Schüler.

Manfred Lutzweiler: Unsere Räumlichkeiten stehen den Schülern soweit möglich auch außerhalb der Unterrichtszeiten zu Übungszwecken offen. Die im Vergleich zu den Berufsschülern erfahreneren und verantwortungsbewussteren Meisterschüler haben also nahezu unbeschränkten Zugang. Da manche Aufgaben im Unterricht aus Zeitgründen zu kurz kommen können, erwarte ich diese Eigeninitiative auch von den Schülern.

Welche Rolle spielt die PC-Ausbildung an der AKS?

Manfred Lutzweiler: Der Gebrauch von Computern schreitet auch im Servicebereich stetig voran: Daher stehen in der Werkstatt acht Laptops zur freien Verfügung. Zudem lehren wir an sechs speziellen Motor- und zwei Abgastestern. Wir legen Wert darauf, ein breites Herstellerspektrum bei der Diagnose vorrätig zu haben.

Raphael Schuster: Ergänzend muss man sagen, dass jeder unserer Schüler einen Zugang zum Schulnetz bekommt. So können sie auf im Unterricht abgespeicherte Informationen zugreifen und diese austauschen. Darüber hinaus stellen Lehrkräfte Präsentationen und Aufgaben im Intranet zur Verfügung. Zudem veranstalten wir einen Computerkurs als Wahlfach.

Klaus Rohde: Der Wahlkurs soll einmal Basis-Computerwissen vermitteln. Zum anderen lernen die Schüler die Auftragsabwicklung am PC kennen. Bei den online verfügbaren Informationen, die Schüler abrufen können, arbeiten wir mit Moodle. Das ist eine OpenSource-Lernplattform.

Haben Sie Informationen darüber, was die Schüler nach dem Erhalt des Meisterbriefs machen? Übernehmen diese verantwortungsvollere Aufgaben beim bisherigen Arbeitgeber oder machen sie sich selbständig?

Manfred Lutzweiler: Das kann man relativ leicht beantworten: Alles. Und sogar noch mehr: Zwei ehemalige Schüler unterrichten heute als Kollegen an der Meisterschule. In den Betrieben haben die Absolventen immer verantwortungsvolle Aufgaben und Führungspositionen inne. Das geht vom mitarbeitenden Meister bis zum Filialleiter. Teilweise hören wir auch von Existenzgründungen oder der Übernahme des elterlichen Betriebs.

Nutzen einige der Absolventen die Weiterbildung auch als Eintrittskarte fürs ein Hochschulstudium?

Klaus Rohde: Auch das gibt es: Ich musste neulich zur Hauptuntersuchung. Dort begrüßte mich ein Kfz-Techniker, der vor einiger Zeit seinen Meister an der AKS gemacht hatte. Mittlerweile studiert er nebenberuflich in Horb an der Berufsakademie. Er hat den Schulabschluss mittlere Reife, darf aber als Kfz-Meister studieren. Horb bietet in Kooperation mit TÜV Süd einen dualen Studiengang zum Prüfingenieur. Im Gespräch stellte sich dann heraus, dass aktuell noch ein zweiter Ehemaliger diesen Weg beschreitet. Es gibt aber auch ein Beispiel, wie jemand ohne Studium bei Porsche im Entwicklungszentrum untergekommen ist. Er arbeitet dort an einem Ingenieursarbeitsplatz und wusste den Fachkräftemangel als Karrieresprungbrett für sich zu nutzen.

Herr Dalacker, Herr Lutzweiler, Herr Rohde, Herr Schuster, vielen Dank für das Gespräch.

Martin Schachtner

▶ Onlineschulung: Schüler erhalten Zugang zum Schul-Netz und können von zuhause aus arbeiten

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