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Dieselmotoren: Dunkle Wolken über dem Selbstzünder

15.12.2015 11:00 Uhr
Diesel Stickoxid Debatte
Für den Selbstzünder war 2015 kein gutes Jahr.
© Foto: Bosch

Stickoxide machen dem Dieselmotor zu schaffen. Immer schwieriger wird es für die Hersteller, die strengen Abgasvorschriften zu erfüllen. Erleben wir gerade den Anfang vom Ende des Selbstzünders?

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Von Michael Specht/SP-X

Nie zuvor hat der Dieselmotor so prominent in der Öffentlichkeit gestanden. Dies aber nicht, weil es irgendein Jubiläum zu feiern gibt oder jemand eine neue Einspritztechnik erfunden hat, die den Selbstzünder nochmals sparsamer macht. Grund ist vielmehr der Abgas-Skandal bei Volkswagen. Deren vermeintlich so sauberen "Clean-TDI" stoßen in Wirklichkeit deutlich mehr Stickoxide aus als vom Gesetz erlaubt, wie amerikanische Behörden herausfanden. Stickoxide reizen die Atemwege, sollen verantwortlich für den "Sauren Regen" sein und stehen in Verdacht, Krebs zu erzeugen.

Die sogenannten "Schummel-Diesel" bringen Volkswagen nicht nur in die wohl größte Schieflage ihrer Firmengeschichte, sondern das Wolfsburger Unternehmen verliert auch massiv an Image. Gerade VW, dessen im Zuge der Dieselaffäre zurückgetretener Chef Martin Winterkorn noch vor wenigen Jahren tönte, Volkswagen werde 2020 nicht nur der größte sondern auch der umweltfreundlichste Autohersteller der Welt sein.

Motoren-Ingenieure haben mit den Stickoxid-Problemen ihre liebe Not. Bei der Verbrennung des Diesels entsteht prinzipbedingt ein ganzer Cocktail aus NOx-Verbindungen. Je heißer der Prozess abläuft, umso mehr. Daran ist wenig zu rütteln, weil eben Dieselmotoren mit höherer Verdichtung als Ottomotoren laufen, zudem mit sehr hohem Luftüberschuss arbeiten. Wirklich eliminiert werden können die Stickoxide daher nur durch eine aufwendige Nachbehandlung im Abgasstrang.

Ohne Diesel geht's nicht

Die Autohersteller stehen vor einem Dilemma. Um die niedrigen europäischen CO2-Flottenwerte für 2020 zu erreichen (95 g/km) gilt der Dieselmotor wegen seines geringeren Verbrauchs – etwa 20 Prozent weniger als ein Benziner – als unabdingbar. "Ohne den Diesel erreicht niemand die Grenzwerte", sagte kürzlich Harald Krüger, BWM-Vorstandschef, bei der Preisverleihung eines Automagazins. Seine Marke verkauft in Deutschland gut 70 Prozent aller Modelle mit Dieselmotor. Spitzenreiter ist hierzulande der SUV-Hersteller Land Rover. Bei den Briten liegt der Selbstzünder-Anteil bei über 90 Prozent. Ähnlich sieht es bei Volvo aus. Sogar Porsche, selbsternannter Sportwagenhersteller, ist mittlerweile mit 40 Prozent dabei. Am wenigsten Dieselmodelle verkauft laut Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen, Toyota. Der größte Autohersteller der Welt kommt in Deutschland gerade einmal auf 20 Prozent, setzt stattdessen vermehrt auf Hybridantrieb.

Kein unkluger Schachzug. Denn Toyotas Hybridtechnik, eine Kombination aus Benziner und Elektromaschine, liegt kostentechnisch schon heute fast auf dem Niveau eines Diesels. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie sogar inklusive der Batterie günstiger sein wird als ein Dieselaggregat mit seiner nachgeschalteten Abgasreinigung. "Die steigenden Kosten werden dem Diesel bis in die Kompaktklasse zu schaffen machen", prognostiziert Autoexperte Stefan Bratzel. Der Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach sieht als Ausweg nur die Elektrifizierung, speziell den Einsatz von an der Steckdose aufladbaren Plug-in-Hybriden. Auch für Herbert Diess, heute Markenchef von Volkswagen, erreichen die Kosten der Abgasreinigung eine kritische Größe, die sich nicht in allen Fahrzeugklassen durchsetzen lässt. Bereits voriges Jahr, noch als damaliger BMW-Entwicklungsvorstand, prophezeite Diess: "Spätestens 2020 kippt der Diesel im Kompaktsegment."

Kleine Chemiefabrik

Schon jetzt gleicht das, was zwischen Motor und Auspuff-Endrohr liegt, einer kleinen Chemiefabrik, die viel Geld kostet, das sich der Hersteller vom Kunden natürlich zurückholen will. Im modernen Diesel-Auspuffstrang sitzen die Abgasrückführung und der Oxidationskatalysator, gefolgt von Partikelfilter und dem Stickoxid-Speicher-Katalysator. Daran schließen sich Harnstoffeinspritzung und SCR-Katalysator an. Nicht zu vergessen sind der bis zu 20 Liter große beheizbare Harnstofftank (wohin damit?), die beheizten Leitungen und die aufwendige Elektronik, die alles steuert. Die Kosten beziffern Experten auf über 1.500 Euro. Zusätzlich zum ohnehin teureren Dieselmotor. Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Die Grenzwerte für die Euro-6-Norm werden zunehmend strenger. "Die Branche muss in den nächsten Jahren Milliardenbeträge in die Abgasreinigung stecken", prophezeit Dudenhöffer.

Es wundert also nicht, dass Hersteller beginnen, die Reißleine zu ziehen. Bei manchen Kleinwagen flogen die Selbstzünder bereits aufs Alteisen. Smart fährt ohne Diesel, ebenso Nissan Micra, Mitsubishi Space Star, VW up!, Honda Jazz, Toyota Aygo, Peugeot 108 und Citroen C1. Lieber setzt man auf kleine Turbo-Dreizylinder-Benziner, die deutlich günstiger, leiser, sauberer und fast genauso sparsam sind.

Doch noch ist Deutschland Dieselland. Der Neuzulassungsanteil liegt mit 47,9 Prozent auf Rekordniveau. Nie zuvor war es mehr. Ob dies so bleibt, hängt maßgeblich auch davon ab, wie lange Dieselkraftstoff noch geringer besteuert wird als Benzin. Hierzulande beträgt die Differenz 18 Cent pro Liter, was sich 1:1 an der Tankstelle bemerkbar macht. Jüngste Umfragen haben ergeben, dass dieser Preisvorteil beim Kunden das kaufentscheidende Kriterium für ein Modell mit Dieselmotor darstellt. Das, was an Schadstoffen hinten raus kommt, spielt dagegen nur eine untergeordnete Rolle.

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