Kurzfassung
Prüforganisationen können sehr viel mehr als Fahrzeugüberwachung. Gerade auch für markenunabhängige Werkstätten bietet TÜV SÜD ein breites Portfolio zur professionellen Unterstützung des täglichen Geschäfts.
asp: Wo hat TÜV SÜD - abgesehen von HU, AU - eigentlich sonst noch Berührungspunkte mit freien Werkstätten?
René Schulz: Einer der wichtigsten Berührungspunkte freier Servicebetriebe mit TÜV SÜD ist immer noch die periodische Überwachung. TÜV SÜD Sachverständige sind tagtäglich in den Partnerwerkstätten, die als Prüfstützpunkt die HU/AU anbieten. Aber darüber hinaus bieten wir ein breites Spektrum an Dienstleistungen im Bereich Schadengutachten und Schadenmanagement auch für freie Werkstätten. In Richtung Werkstattketten/-systeme spielt das Thema Werkstatt-Audits und versteckte Tests eine wichtige Rolle. Auch im Bereich Unternehmerpflichten, beispielsweise bei der Einhaltung des Datenschutzes oder der Arbeitssicherheit, sind TÜV SÜD Mitarbeiter beratend tätig und helfen bei der Umsetzung der Vorgaben. Das gilt ebenso für die wichtige Prüfmittelüberwachung in den Betrieben.
Ralf Breisch: Der Bereich Schaden und Wert ist besonders bei den K&L-Betrieben ein ganz wichtiger Aspekt. Die Betriebe schätzen die Neutralität der Schadengutachten von TÜV SÜD. Immerhin sind wir als Prüforganisation komplett unabhängig von Versicherern und können hier wirklich ganz im Sinne des Kunden agieren. Es war eine strategische Entscheidung von TÜV SÜD, in dem Bereich bewusst nicht mit Versicherungen zusammenzuarbeiten, um etwaige Interessenkonflikte von vornherein zu vermeiden.
asp: Welche konkreten Dienstleistungen hat TÜV SÜD für Werkstätten entwickelt?
R. Breisch: Wir wollen gemeinsam mit den freien Werkstätten weitere bedarfs- und zukunftsorientierte Produkte entwickeln. Neue Ideen ergeben sich aus dem täglichen Umgang mit den Betriebsinhabern. Über unser Sachverständigennetz sind wir ganz eng mit der Branche verzahnt und können gezielt neue Dienstleistungen - ausgerichtet an den Bedürfnissen des Marktes - entwickeln.
R. Schulz: Auch die Expertise aus der Zusammenarbeit mit der gesamten Autobranche hilft uns als TÜV SÜD, dem freien Markt unser Know-how zur Verfügung zu stellen, beispielsweise beim Thema E-Mobilität. Daraus können dann auch konkrete Services und Produkte erwachsen, die wir dem freien Markt anbieten oder die als neue Anforderungen in die HU aufgenommen werden. Es ist unser Anspruch, die umsatz- und zukunftsträchtigen Bereiche in den Werkstattbetrieben weiterzuentwickeln. Besonderes Augenmerk liegt traditionell auf dem amtlichen Bereich, Schaden und Wert, sowie Consulting. Wir haben heute schon digitale und zukunftsträchtige Lösungen, welche täglich zur Anwendung kommen.
asp: Kennen die Werkstätten, abgesehen von der HU, das Portfolio von TÜV SÜD?
R. Schulz: Es ist ein riesengroßer Vorteil, dass alle die Marke TÜV SÜD kennen. Es schafft Vertrauen und hilft auch bei den Endkunden. Das Oktagon hat einen sehr guten Klang im Markt und steht für Qualität und Know-how. Aber es stimmt: Nicht alle Betriebe kennen die ganze Bandbreite unserer Dienstleistungen. Daher soll der Vertrieb in diese Richtung ja auch verstärkt werden, nicht zuletzt durch Schaffung der Key Account Position, die ich übernommen habe. Ich kenne den IAM sehr gut aus meiner beruflichen Laufbahn und weiß daher um die Herausforderungen für diese Unternehmen.
asp: Wie sieht Ihre Vertriebsstrategie Richtung freier Markt aus?
R. Schulz: Ansprechpartner bei den Werkstattketten/-systemen ist die jeweilige Zentrale. Diese werden wir gezielt aktiv ansprechen. Zusätzlich erfolgt der Vertrieb über die regionalen Vertriebsleiter, die wichtige Kunden in ihrem Gebiet ansprechen. Mit über 700 Standorten in Deutschland ist TÜV SÜD Division Mobility sehr gut und flächendeckend aufgestellt. Der Flächenvertrieb stützt sich zudem auf die vertrieblichen Aktivitäten über die einzelnen Service-Center. Dort ist man ohnehin in engem Kontakt mit den Werkstattbetrieben. TÜV SÜD bietet seine Dienstleistungen heute schon bundesweit an, nicht zuletzt über unser Netzwerk der TÜV SÜD Auto Partner.
asp: Wie wichtig ist das Flottengeschäft für freie Werkstätten?
R. Breisch: Das Geschäft mit Flotten wird auch für den freien Markt immer wichtiger. Künftig wird der Fahrer des Fahrzeugs immer seltener derjenige sein, der über den Service entscheidet. Vermieter, Versicherungen und Flottenbetreiber haben einen regionalen Servicebedarf und gleichzeitig hohen Kostendruck. Ich sehe hier einen spannenden Markt mit guten Zukunftsaussichten, auch für die freien Werkstätten.
R. Schulz: Besonders für diese Kunden ist es wichtig, alles aus einer Hand zu bekommen. Hier gilt es, gerade im Hinblick auf neue Kundengruppen wie z. B. Flotten oder Carsharing, aber auch im Hinblick auf die sich wandelnden Anforderungen der Endkunden, breit aufgestellt zu sein. Dies bedeutet nicht, dass man als Werkstatt alles selbst anbieten muss, sondern sich ein gutes Partnernetzwerk und Prozesse aufbaut.
asp: Wie wichtig ist die Beratung für Werkstätten?
R. Schulz: Das gesamte Feld Consulting ist ein sehr wichtiger Baustein im Bereich Autohaus. Die Beratungsleistungen und unsere langjährige Erfahrung werden wir im Aftersales forcieren, beispielsweise bei der Verbesserung von Prozessen in der Werkstatt, von der Kundenansprache bis zur Rechnungsstellung. Wir sind der ideale Partner der freien Werkstatt, die ihr Flottengeschäft verbessern oder ausbauen will, weil wir viel Erfahrung aus dem Automobilhandel und dem Flottengeschäft mitbringen. Es geht hier nicht nur um große Flotten oder Mobilitätsanbieter, sondern auch um den lokalen Handwerksbetrieb oder Pflegedienst, der seine Fahrzeuge warten lassen muss. Die kundenseitigen Anforderungen sind andere als bei Privatkunden.
R. Breisch: Die Qualität der freien Werkstattketten hat in den letzten Jahren ständig zugenommen, wir sprechen von sehr gut aufgestellten Betrieben mit erstklassiger technischer Ausstattung und viel Know-how. Die Systemzentralen der Werkstattkonzepte haben sehr viel Geld in die Hand genommen, um die Professionalisierung voranzutreiben.
asp: Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial bei den freien Werkstätten?
R. Breisch: Viele Betriebe sind bereits sehr serviceorientiert, haben aber noch Potenzial nach oben, wenn es darum geht, die Kommunikation mit den Kunden zu verbessern. Online-Terminvereinbarung und der gesamte Bereich der digitalen Sichtbarkeit im Netz sind oft noch nicht optimal. Hier sehe ich auch eine Aufgabe für uns, Lösungen anzubieten, die wir bereits in unserem Portfolio haben. Die Smartphone-App ist der direkte Draht zum Kunden und dessen Fahrzeug. Wenn beim Service ein Reparaturbedarf identifiziert wird, kann der Mechaniker den Kunden darüber informieren und beispielsweise auch gleich ein Foto schicken.
asp: Dann sehen Sie also durchaus Zukunft für das Geschäftsmodell "freie Werkstatt"?
R. Schulz: Die Frage lautet sicher nicht, ob es den markenunabhängigen Service geben wird, sondern wie digital und serviceorientiert er aufgestellt sein wird. Die meisten Werkstattpartner in Werkstattkonzepten haben eine enorme Professionalisierung in den letzten 20 Jahren erlebt. Hinzu kommt, dass der freie Markt beständig Zuwachs hat, weil viele ehemalige Markenbetriebe ihre Markenbindung abgeben. Wir möchten den freien Markt und alle freien Werkstätten dazu einladen, gemeinsam mit uns die Zukunft zu gestalten.
R. Breisch: Autofahrer und Fuhrparkbetreiber sind auch künftig auf ein dichtes Servicenetz angewiesen und darin haben freie Servicebetriebe ihren festen Platz. Mit dem heute verfügbaren technischen Equipment und dem richtigen Know-how sind sie auch weiterhin voll wettbewerbsfähig. Es wird darauf ankommen, in einem sich verändernden Mobilitätsmarkt intelligente und digitale Services anzubieten, um die Mobilität der Kunden jederzeit sicherzustellen.
Interview: Dietmar Winkler
- Ausgabe 03/2021 S.40 (122.1 KB, PDF)